Zitat
Da werden nicht mal Sinneseindrücke verbunden
Hallo Beren Stark,
doch es ist eineSynästhesie. Dafür muss ich aber weiter ausholen, was mich zu meinem 1. Punkt bringt:
1. Ich muss mich für meinen gestrigen Post entschuldigen. Ich war schon vorher genervt und das hat sich ausgewirkt, denn ich habe Dich nicht gut zitiert und garnicht richtig klar gemacht, was ich eigentlich meine. Das hilft der Diskussion nicht wirklich. Also mein Fehler. Sorry.
2. Gehen wir die Textstelle mal kleinschrittig durch. Es geht um folgenden Abschnitt:
„Das Wirtshaus gehörte ihm, wie ihm auch die dritte Stille gehörte. Und das war nur recht und billig so, denn sie war die größte der dreifachen Stille und schloss die anderen ein. Sie war so tief und so weit wie
der Spätherbst. Sie wog so schwer wie ein großer, vom Fluss glatt geschliffener Stein. Es war der geduldige, schnittblumenhafte Laut eines Mannes, der darauf wartet zu sterben.“
In den letzten drei Sätzen ist das wichtigste Stilmittel die Synästhesie.
„Sie war so tief und so weit wie der Spätherbst.“
„Sie“ ist hier die dritte Stille. „Wie der Spätherbst“ ist ein Vergleich, wird aber jetzt zur Metapher durch „so tief und so weit wie der Spätherbst“, denn der Spätherbst selbst ist natürlich weder tief noch weit. Allerdings geht es hier um die Stille und dies ist ein akustischer Sinneseindruck, Weite ist ebenfalls ein Sinneseindruck und zwar ein optischer. Man kann jetzt noch argumentieren, dass Tiefe z.B. auch ein taktiler Sinneseindruck
ist, da man Tiefe in der Regel ertastet, aber das ist nicht so wichtig.
D.h. wir haben zwei bzw. drei verschiedene Sinneseindrücke, die miteinander verbunden werden. Also eine Synästhesie. Genau genommen auf der obersten Ebene eine Synästhesie, auf der mittleren Ebene eine Metapher und auf der untersten Ebene einen Vergleich.
„Sie wog soschwer wie ein großer, vom Fluss glatt geschliffener Stein."
„Wie ein großer(…) Stein“-Vergleich. Die Stille wiegt aber etwas-Stille ist wieschon gesagt ein akustischer Sinneseindruck, das Gewicht ein haptischer oder taktiler Sinneseindruck, also haben wir hier eine
Synästhesie. Und zwar auf der oberen Ebene eine Synästhesieverbunden mit einem Vergleich auf der unteren Ebene.
Also wir haben eine durchaus komplexe Konstruktion von zwei Synästhesien hintereinander,außerdem eine dreistimmige Stille. Mal sehen, was die 3. Zeile uns gibt.
„Es war der geduldige, schnittblumenhafte Laut eines Mannes, der darauf wartet zu sterben.“
„Es“ ist wieder die Stille, ein „geduldiger, schnittblumenhafter Laut“ ist eine Metapher. Aber keine Synästhesie. Gucken wir uns mal die englische Version, dann wird es klarer.
„It was the patient, cut-flower sound of a man who is waiting to die.“
Diese Zeile ist wunderschön und man kann sie so übersetzen, wie der Übersetzer es getan hat. Man kann sie aber auch folgendermaßen lesen: DieSchnittblume ist im englischen cut flower, d.h. ohne Bindestrich.
Warum also der Bindestrich? Der Bindestrich verbindet etwas was eigentlich getrennt ist. Lesen wir die Satzteile mal getrennt:
„it was the patient cut“
Die Stille war der geduldige Schnitt-hier ist unsere dritte Synästhesie. Stille-Akustik, Schnitt-taktil, wenn wir uns schneiden, dann spüren wir das.
„flower sound of aman who is waiting to die“
flower ist nicht nur die Blume, es bedeutet auch fließen. Also jemand hat sich geschnitten, und zwar geduldig geschnitten und etwas fließt. Etwas was miteiner Blume in Verbindung gebrachtet wird. Die meisten denken jetzt sofort an eine spezielle Blume und zwar an eine Rose. Die istfür die meisten Menschen spontan assoziativ rot.
Da steht, dass dieser Mann darauf wartet zu sterben, aber im Hintergrund ist das Bild eines Mannes eingewoben, der sich die Pulsadern aufgeschnitten hat. Sicherlich eine durchaus geduldige und stille Art sich das Leben zu nehmen und daher kommt die Schnittblume an der Du Dich so störst.
Da drin ist auch eine schöne Onomatopoesie( Lautmalerei), aber ich höre jetzt auch auf, denn dieser Post ist eh schon zu lang.
Und jetzt zu meiner Kritik an Deinen Posts: Du hast die ganze Zeit die Verwendung von Metaphern und Vergleichen kritisiert, aber als Literaturwissenschaftler hättest Du als wichtigstes Stilmittel die Synästhesie sehen müssen. Zwar geht die dritte in der deutschen Übersetzung etwas verloren, aber gerade bei so einem poetischen Stil, hättest Du, wenn Du schon kritisierst, das Original heranziehen müssen.
3. Falls Du meinst ich überinterpretiere: Die Bücher sind voll von Wortspielen, Assoziationen und ein weiterer Haufen von rhetorischen Figuren. Was den Bindestrich angeht: Rothfuss hat selbst mal in einem Text auf die
Wichtigkeit von Interpunktion hingewiesen...