Weil der liebe Schorschibu sich nach Selbstdarstellung für sein Epos an den im Spätmittelalter zu verortenden Rosenkriegen orientiert hatte, habe ich heute so meine Probleme damit, wenn die filmgewordenen Handlungsfadenenden nun nicht mehr zu der seinerzeitigen Lebenshaltung passen - und ein quasi post-neuzeitliches Lebensgefühl transportieren (helfen?) sollen.
Das damalig politisch-handelnde Personal hatte ganz natürlich ein völlig anderes Lebensgefühl als wir heute, war im Dynastischen verhaftet, glaubte an eine göttliche Bestimmung zur Herrschaft, sah Untertanen als Verfügungsmasse, ließ politische Rivalen hinrichten (wenn man sie erwischte) und hätte sich durch "menschliche Schutzschilde" in keiner Weise erpressbar gesehen.
GRRM fällt in dieser Hinsicht als Autor im bisher Veröffentlichten auch nie aus der Rolle - siehe Harrenhall oder das Ende der Targaryenfamilie des irren Königs.
Tywin scheint das Blutbad zu Königsmund auch nicht in seinem Ansehen geschadet zu haben - auch das Gedankenexperiment, was Tywin wohl an Stelle des Greifen in der Schlacht der Glocken mit der Bevölkerung veranstaltet hätte, liest sich nicht nach einer Verurteilung wegen des verdammungswürdigen Verstoßes gegen irgendwelche "Menschenrechte", welche damals gar nicht interessierten.
Wenn dem aber so ist - wie vorbeschrieben; dann ist das Drehbuch für die letzte Staffel ganz schwer albern bis unglaubwürdig:
Ein sozialromantischer Varis, welcher (noch vor der Schlacht sogar) Verrat begeht und Dany abmurksen will - weil frau es wagt, Königsmund erobern zu wollen? Statt lieb zu bitten, bis Cersei ihren Irrtum einsehen möge? Und noch gar nicht klar ist, wie denn diese Eroberung en detail aussehen wird?
Ein treuefremdelnder Tyrion, der doch ganz genau weiss, dass sein großer Bruder eben noch brav versprochen hatte, bei seiner Neu-Ritterin im Norden zu verweilen? Und dem das Schicksal des nun so wichtigen Flohloch-Volkes seinerzeit bei der Abwehr von Stannis noch viel egaler war? Der auch weiss, dass in seiner Welt Verrat und Niederlage nur den Tod bedeuten können?
Dem spätmittelalterlichen Tyrion hat ohnehin klar zu sein, dass der Wert der "Hauptstadt" nicht von der Armuts-Überbevölkerung des Flohloch-Slums dargestellt wird - sondern von der die Wirtschaft und die Verwaltung am Laufenden haltenden Bürgerschicht.
... und wie hiess es doch noch in den Katharerkriegen: "Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen!"
Eine machtphantasierende Dany, die eben noch durch mäandermäßiges Abfliegen der Bürgerviertel mit ihrem Flammenwerfer die eigentliche Hauptstadt wirklich zerstört hat und ihre Herrschaftsmöglichkeit an diesem Ort gleich mit (ja, so doof soll sie nach dem Drehbuchwillen sein); der soll nichts Wichtigeres einfallen, als von diesem Aschehaufen gleich zum nächsten weiterzuziehen?
Und ihrer auf die Hälfte zusammengeschrumpften Kriegerzahl fällt frenetisch-jubelnd auch nichts Vernünftigeres ein? Läge da Abkochen und Ausschlafen sowie Beutemachen und Vergewaltigen nicht ein wenig näher an einer historischen Wirklichkeit? Und wie ist das mit den jetzt typischerweise aufkommenden Ideen nach Belohnung-Fordern und sich ins gemachte Nest setzen zu wollen?
Drehbuch-Dany darf angeblich auch keinerlei Vorstellung davon haben, was sie denn gescheiterweise zu tun hätte, wenn sie mal auf dem eisernen Thron Platz nehmen könnte - und mit welchen Mitteln das dann zu bewerkstelligen sei.
Also Mordbrennen als Selbstzweck und vor allem, um drehbuchmäßig erwünscht die Steilvorlage zur ermordungswürdigen Kriegsverbrecherin zu geben?
Dazu passend nun Etepetete bei Jon auf gleich mehreren Ebenen.
Was ihn nun eigentlich seit der Enthüllung seiner Herkunft ernsthaft und nachvollziehbar davon abhalten soll, mit Tantchen ins Bett zu hüpfen, habe ich nie verstanden; mit Hinblick auf alte Targaryen-Traditionen sowieso nicht.
War ihm nicht ebenso klar wie Dany, dass auf dem Weg zum eisernen Thron alles abgeräumt werden müsse, was Cersei in den Weg zu stellen geruhte - menschliche Schutzschilde inklusive?
Wenn es ihm klar war und wir Tyrions Hinweis auf das sich abzeichnende Schicksal einer knieunfreudigen Sansa als Auslöser nehmen sollen: Das ist Verrat und sowohl Sansa als auch Jon wissen das.
Als Jon als König des Nordens von Dany kniete, wurde er zum Lord von Winterfell und Wächter des Nordens - an diese Entscheidung ist auch seine Nachfolgerin gebunden oder sie wird dadurch zur Rebellin gegen die Krone. Das Sansa ihre Durchstecherei gegenüber Tyrion auch noch dazu benutzt hat, um entweder eine zu ermordende Dany loszuwerden oder einen dabei scheiternden Rebellen-Jon, macht es nicht besser.
Jon darf in der Lage, in der ihn das Drehbuch dümmlich handeln lässt, doch gar nicht damit rechnen, dass dadurch KEIN Blutbad ausgelöst wird: Die erwartbare Reaktion war doch, dass die Unbefleckten ihn umstandslos einen Kopf kürzer machen und diesen-welchen dann den Nordmännern vor die Füße werfen werden - anschließend kommt es zur Abnutzungsschlacht zwischen der Rest-Armee des Nordens und der Post-Dany-Rest-Armee ohne Drachen: Danach stellen beide in Westeros keinen relevanten Machtfaktor mehr dar.
Da Jon seine Sansa auch im Wesentlichen ohne Armee in Winterfell gelassen hat, ist nun auch der Norden am Ende. Mangels zu fürchtendem Ordnungsfaktor fängt jetzt der Bürgerkrieg Aller gegen Alle wieder an - nur mit neuem Führungspersonal.
Das alles soll Jon nicht wissen?
Hatte er Tyrion nicht eben noch wahrheitsgemäß gesagt, dass dieser schon recht habe - aber der Krieg sei jetzt vorbei? Was hindet denn Jon daran, nach diesem Sieg einen Abstecher nach Winterfell zu machen und seine verräterische Sansa an die Kandare zu nehmen? Wenn Dany ihm in den Norden folgt, ist das Beste, worauf Sansa hoffen darf, die königliche Aufforderung "knie oder stirb".
Eine zeitgeistmäßig hochstilisierte Mädchen-Kriegerin, die über alle Bücher und Staffeln aufgebaut worden war - hart und selbstnichtachtend sowie effizient und zielstrebig zu sein. Diese Arya soll jetzt aus Erschrecken über eine sich abzeichnende Ähnlichkeit zum Bluthund zurück zucken? Das hinterherige wie angebliche Schneller-Sein von Dany beim Umbringen von Cersei hat sie ja beim Abschied vom Bluthund noch gar nicht wissen können.
Der einzige Drehbuch-Grund, warum sich Arya in Königsmund herumtreibt, besteht doch nur in der Möglichkeit zum plakativen Herzeigen verabscheuungswürdiger Dany-Kriegsverbrechen.
Cersei dagegen bleibt zuverlässig in der Rolle - einst liess GRRM sie ausdrücken, dass es bei dem Spiel der Throne nur Sieg oder Tod gäbe - und nichts dazwischen; sie hält sich daran und spielt dies bis zu ihrem Ende - die letzten paar menschelnden Sekunden mit Jaime im Gewölbekeller seien ihr verziehen.
Ihr gnadenloses Ausnutzen der gegnerischen Schwäche, die Bevölkerung bei der fälligen Einnahme der Hauptstadt schonen zu wollen sowie das fortgesetzte Hoffen auf einen spielentscheidenden Glückstreffer beim Tontauben- *äh* Drachen-Abschießen gehen völlig in Ordnung.