Doppelpost, da es recht lang wird.
Da meine Freundin unterwegs ist, ging der Rewatch etwas schneller als gedacht. Hier nun mein Rückblick. Leider könnte man unglaublich viel sagen und ich hab vermutlich die Hälfte, die mir während des Schauens durch den Kopf ging, schon wieder vergessen, aber ich gebe mein bestes.
Das letztlich herausstechende an Andor bleibt meiner Meinung nach die Tonalität. Im Gegensatz zu den allermeisten Fantasy-Serien und auch vielen realweltlichen Produktionen schafft die Serie, dass ich in keinem Moment durch nicht nachvollziehbares menschliches Verhalten, Quatschdialoge, deplatzierte Gags oder Plotholes aus meinem Filmerlebnis herausgerissen werde. Ich bin so unendlich dankbar dafür endlich eine solche Serie sehen zu dürfen, eine die auf postmoderne Spielchen verzichtet, die tiefgründige Dialoge gut umsetzt und dann auch so stehen lässt ohne sie zu relativieren und die epische An- und Aussprachen, am gelungensten jene von Luthen in der er seine Opfer für die Rebellion beschreibt, umgesetzt bekommt ohne das man die Augen verdrehen, peinlich betreten wegsehen oder sich spöttisch räuspern muss. Es gibt wirklich in der gesamten Serie keine einzige Szene, die ich für grundsätzlich misslungen halte, die diese Tonalität stört oder die ich gar rausschneiden würde. Keine. Man kann über einige diskutieren, dazu vielleicht noch mehr, aber eine wirklich schlechte finde ich nicht.
Damit hört mein Lob aber noch nicht auf. Für ebenso gelungen halte ich den Plot, bei dem ich auch keine wirklich gravierenden Kritikpunkte finde und den ich gerade im Fantasy-Bereich für hervorstechend halte. Mal ehrlich, zu welcher Serie lässt sich das sagen? Ich kann, wie hier im Thread schon geschehen, einiges gutes zum Mando sagen, ich fand Rogue One toll, ich mochte einige Staffeln GoT. Aber eine so gut erzählte Geschichte? Die dazu mit sämtlichen Klischees bricht und für mich weitgehend unvorhersehbar war? Letzteres ist mir noch mal beim Rewatch aufgefallen, der hat Spaß gemacht, aber ich war nicht ansatzweise so gefesselt wie beim ersten Schauen. Das klingt im ersten Moment vielleicht gar nicht so positiv, aber das mich eine Serie oder ein Film so in den Bann schlägt, weil sie unvorhersehbar und trotzdem stringent, logisch und Sinn ergebend ist, ist mir auch schon lange nicht mehr passiert. Tatsächlich wurde auch praktisch überall die richtige Entscheidung getroffen, das richtige Maß gefunden. Zum Beispiel habe ich, nachdem Skeen etwas zu Cassian über Cinta gesagt hat, schon halb damit gerechnet, dass Cinta am Ende ungeplant und unnötigerweise die Familie des Kommandanten auf Aldhani einfach abschlachtet. Oder zu Beginn: Die Charaktere auf Ferrix sind im Gesamtkontext der Serie nicht unbedingt die spannendsten, obwohl mir das Setting auf Ferrix an sich sehr gut gefallen hat. Brasso ist ein Sympathieträger und Bix zumindest ok, ich muss zugeben, ich habe eine gewisse Schwäche für solche Frauenfiguren, aber das Potential für weitere Figurenentwicklung war bei beiden doch begrenzt und daher bin ich mit ihren nicht allzu bedeutenden Rollen im Verlauf der Serie sehr zufrieden, genauso wie damit, die uninteressanteste und belangloseste Figur, Timm, früh sterben zu lassen. Auch Nemiks Tod hat an dieser Stelle Sinn ergeben ohne das seine Bedeutung für Cassians weitere Entwicklung zu sehr in den Vordergrund gerückt wird.
Der wirklich überragende Teil der Serie, was die Figuren, das Writing, die Dialoge und das Schauspiel angeht, ist sowieso Coruscant. Stellan Skarsgard als Luthen und Genevieve O’Reilly als Mon Mothma, , Denise Gough als Dedra Meero und Elizabeth Dulau als Kleya (die Szene, in der sie Vel trifft, ist zum Beispiel großartig) sind wirklich überragend. Mir gefallen aber auch Major Partagaz, Tay Kolma und Perrin.
"Schwierigkeiten" ist aufgrund des so positiven Gesamteindrucks etwas übertrieben und alle Kritik sowieso meckern auf hohem Niveau, aber kleinere Probleme habe ich nach wie vor mit Syril Karn. Allerdings geht mir hier mehr er selbst auf die Nerven, eine solche Figur als zeitweisen Antagonisten zu schaffen anstatt der üblichen Bösewichte finde ich zumindest auch lobenswert. Die größere Schwäche im Drehbuch ist meines Erachtens Vel. Den kleinen Plottwist, dass es sich bei ihr um Mon Mothmas Schwester handelt, fand ich im eher negativen Sinne überraschend und überflüssig. Dass sie trotz dieses Verwandtschaftsverhältnis und ihrer persönlichen Bekanntschaft mit Luthen den hochriskanten Einsatz auf Aldhani geleitet hat, ist das größte Logikloch, wenn man denn unbedingt nach einem suchen will.
Toll finde ich auch das Worldbuilding. Auch hier wird auffallend oft der richtige Ton getroffen: Das Gefängnis ist einerseits ein bedrückender, totalitärer Ort, aber es muss doch irgendwo gespart werden und so gibt es eine ganz kleine Schwachstelle, die nur mit hoher Opferbereitschaft genutzt werden kann aber deren Vorhandensein durchaus Sinn ergibt. Da, wo das Imperium sich voll etabliert hat, regiert die Willkür (Niamos) aber sie müssen sich an manchen Orten dann doch auch zurückhalten (Ferrix) und versuchen bei der Kontrolle Ressourcen zu sparen. Die Verantwortlichen der unteren imperialen Ränge agieren auf ihre eigennützige Weise (Morlana), während die ISB top-down versucht den Laden zusammenzuhalten. Ich fand es auch toll, wie hier politische Zwänge mit eingearbeitet werden, nämlich als die unmittelbare Eliminierung von Anto Kreegyr mit der Zufriedenstellung des Imperators begründet wird. Es gibt in diesem Imperium auch Kontereliten – nämlich die regionalen Eliten, die sich im Falle Chandrilas offenbar nicht auf vereinzelte Idealistinnen wie Mon Mothma beschränken (das passt auch gut zum alten Kanon, wo das Überlaufen von Welten wie Mon Calamari oder Sullust letztlich entscheidend für die Rebellion ist). Auch andere Aspekte der Organisation der Rebellion sind toll, wie Mon Mothma sich als kleines Ärgernis gibt um das große Ärgernis zu verstecken anstatt den loyalen Regimeanhänger zu mimen oder ihrem Fahrer einen Ehestreit vorspielt um eine falsche Fährte zu legen, die Szene in der Kleya Vel erklärt, was ihre Rolle ist („Für mich gibt es kein derzeit…“) und wie sie auch Luthen immer wieder diszipliniert. Man könnte jetzt noch sehr viel mehr sagen. Einen kleinen Wermutstropfen sehe ich in der weitgehenden Abwesenheit von Nichtmenschen. Das passt auch gut zu der kanonischen Xenophobie des Imperiums und war vermutlich die richtige Entscheidung, weil Nichtmenschen es sicher sehr viel schwieriger machen würden, den ernsten Grundton aufrechtzuerhalten. Trotzdem hat mir das ein bisschen gefehlt.
Meine beiden Lieblingsfolgen bleiben nach dem Rewatch 7 und 10. Nr. 3 war emotional auch herausstechend und 6 unglaublich spannend, aber letztlich entscheiden die wunderbaren Dialoge zugunsten von 7 sowie die Inszenierung und Konsequenz von „One way out“ plus der Antwort von Luthen auf die Frage, was er denn opfern würde am Ende der Folge für 10. Letztere wird auch die alles überragende Szene der Serie für mich bleiben. Normalerweise wird es an dieser Stelle in Serien und Filmen mindestens unangenehm, hier ist es einfach nur perfekt.