Ich hab die Episode heute morgen gesehen und hatte quasi den ganzen Tag, um etwas drüber nachzudenken, wie ich alles einordnen kann. Und ich muss sagen, dass mir das Ende sehr gefällt. Der Weg dahin ist mindestens diskussionswürdig, aber im Grunde genommen bin ich sehr zufrieden.
Um auf einige der Kritikpunkte einzugehen:
1) Ich habe mehrfach gelesen, dass es für die Geschichte ja nun überhaupt keine Bedeutung hatte, dass Jon ein Targaryen war/ist. Und dazu möchte ich sagen: ja, das ist vollkommen richtig. Es ging auch nie darum. Er ist er und wird auch immer er selbst bleiben, egal wie viele andere versuchen, ihm eine Persona (unabhängig ob jetzt Jon Snow oder Aegon Targaryen) aufzuzwingen. Jon ist der Charakter, der er ist und dabei ist es komplett unerheblich, ob er nun Jon oder Aegon heißt und ob sein Vater Eddard oder Rhaegar hieß. Jon ist dadurch der lebende Beweis, dass eine Person nicht dadurch definiert wird, als wer oder was er geboren wurde. Und das finde ich, ist eine starke Aussage.
2) Bran als König: Ja, ich habe es auch nicht kommen sehen, war sehr überrascht, bin mit dem Ergebnis aber alles andere als unzufrieden. Tyrion hat es selbst am besten gesagt: Bisher haben Geburtsrecht und (militärische) Macht den Herrscher definiert. Die Targaryen Dynastie fußte auf der Eroberung durch die Drachen. Roberts Königstum wurde ebenfalls militärisch durchgesetzt. Robb Stark, Balon Graufreud, Stannis und Renly Baratheon, Joffrey und Tommen Bratheon/Lannister aber auch Cersei Lannister und Danaerys Targaryen, alle wurden durch ihre Heere und militärischen Erfolge definiert und ihre Siege auf dem Schlachtfeld, sei es als Eroberer oder als Verteidiger gegen eine Eroberung. Bran hingegen genau das gegenteil davon. Er hat keine persönliche Macht im Sinne von Herrschaft über eine Burg oder Stadt. Er befehligt keine Armee, keine Flotte und ist vor allem selbst kein Krieger. Bran ist weder Mann des Krieges, noch ein Mann von Intrigen und Ränkespielen. Er will nicht einmal den Thron und den Einfluss der damit verbunden ist. Das macht ihn aus meiner Sicht von allen zur Verfügung stehenden Kandidaten zum besten Herrscher. Durch seine anscheinende Unfähigkeit Erben in die Welt zu setzen, wird also eine Art Wahlmonarchie eingeführt, was auch langfristig sicher nicht das schlechteste ist. Hier spannt sich der Bogen zu Jon: man sollte nicht durch die Umstände seiner Geburt definiert werden.
3) Jon und seine "Bestrafung": Ich bin der Überzeugung, dass hier irgendeine Art von Bestrafung notwendig war. Ja klar, einerseits musste man die Unsullied und die Dothraki, so wie alle Lords, die sich Danaerys verschrieben haben (Asha beispielsweise), beschwichtigen, aber das meine ich nicht einmal. Ich glaube, dass Jon selbst auch eine "Strafe" brauchte. Er hat die Frau, die er offensichtlich liebte getötet, er hat die Königin, der er die Treue geschworen hat, getötet. Unabhängig davon, ob es gerechtfertigt oder notwendig war, braucht Jon hier ein Strafmaß, um damit abschließen zu können. Dieses Strafmaß ist das Exil. Man hat das gnädigste Strafmaß angewandt, das dennoch eine Bestrafung darstellt. Jon wurde an den Ort verbannt, an dem er sich erstmals im Leben so gefühlt hatte, als gehöre er hier her: die Nachtwache und damit einbegriffen: die Länder jenseits der Mauer.
4) Das Ende generell: Oft wird ja gesagt, das Ende sei zu gut, nicht bitter genug, um auf das von George Martin angedachte bitter-süße Ende zu passen. Ich möchte da widersprechen. George Martin hat selbst gesagt, dass ihn Tollkiens Ende des Herrn der Ringe sehr fasziniert hat und er ein ähnlich geartetes Ende möchte. Das ist hier meiner Meinung nach der Fall. Jons Schicksal erinnert an das von Frodo. Frodo zerstört den Ring, rettet die Welt und damit auch seine Heimat das Auenland. Doch durch die Wunden und die seelische Bürde des Rings ist er dazu verdammt, niemals Frieden zu finden. Jon wurde durch seine Taten tatsächlich zum Schild, der die Reiche der Menschen schützt. Er organisiert den Widerstand gegen die Anderen. Er zieht mit Danaerys gegen Cersei und am Schluss, als er erkennt, dass Danaerys ebenfalls eine Bedrohung für jeden Mann und jede Frau und jedes Kind in Westeros (und darüber hinaus) ist, Beschützt er die Reiche der Menschen auch vor ihr. Dafür opfert er seine Liebe und seine Ehre. Beides sind dinge, die ihm persönlich alles bedeuten. Ich habe den Eindruck, als sei durch seine Verbannung eine Last von ihm abgefallen. Egal wohin er in Westeros gegangen wäre, er wäre immer entweder der Held oder der Mörder gewesen. Nichts von beidem wollte er jemals sein. Ähnlich wie Frodo, der mit den Elben in die unsterblichen Lande segelt, kann Jon seinen Frieden jenseits der Mauer finden. Mit dem freien Volk kann Jon endlich frei von allem sein, frei von Erwartungen, von Titeln und Namen. Er kann er selbst sein, wie er es eigentlich immer sein wollte.