Zitat
Irgendjemand von euch Erfahrungen mit so etwas?
Joa. In so ziemlich allen fünfzig Schattierungen vom "beruflich" veranlassten Brief, der eine suizidale Absicht ankündigt bis zum höchstpersönlichen "Wenn du keine Beziehung mit mir eingehst, bringe ich mich/dich um". Dazwischen ein bisschen wie bei dir verhältnismäßig lose Bekanntschaften, die eskaliert sind, was das Zuwendungsbedürfnis der Betroffenen angeht und mitunter zu romantischen Projektionen geführt haben.
Du hast aus meiner Sicht bereits alles (richtig) gemacht was du tun konntest.
Die Erfahrung, dass die Betroffenen sich in der Therapie nicht ausreichend verstanden gefühlt haben und mich ihren üblichen Bezugspersonen vorgezogen hatten habe ich auch gemacht.
Allerdings hatte ich in vielen Fällen nach einiger Zeit festgestellt, dass das Gefühl nicht nicht der objektiven Sachlage entsprach, sondern einfach Bestandteil des jeweiligen Krankheitsbildes war. Es war einfach kein "genug" an Zuwendung zu erreichen. Nicht durch die dauerbeanspruchte Familie und nicht durch zusätzlich überbeanspruchte Fremde.
Ich bin der festen Überzeugung, dass da wo die Profis bereits ihre Arbeit aufgenommen haben - seien es Ärzte, die Polizei oder Therapeuten die "zivile Verantwortung" des Laien endet.
Ich finde es in Ordnung, wenn du bittest den Kontakt unter ehrlicher Darlegung der Situation zu beenden und auf Fachstellen verweist.
Wenn du dich noch fit genug dafür fühlst, könntest du des lieben Seelenfriedens wegen bei einer einschlägigen Hotline abschließend erfragen, ob es noch öffentliche Hilfsfangebote gibt, die du als Dritter anregen kannst. In unserer Gegend ist beispielsweise die Caritas bei ganzheitlicher Betreuung benachteiligter Menschen ziemlich stark.
Sollte dich aber in der Zwischenzeit (oder gegen deinen Willen) ein Schreiben oder eine Mail erreichen, aus der du eine eindringliche Suizidgefahr herausliest, würde ich es an deiner Stelle an die örtliche Polizeidienststelle weiterleiten.
Die soll bei akuter Gefährdung tätig werden, allerdings ist die Frage ob die Lage bereits akut ist für einen Dritten ja kaum zu beurteilen. Im Zweifel kann ein geübtes Auge am Originaltext besser erkennen, ob es Blaulicht und Sirenen sein müssen, ein Besuch am Folgetag oder nur die Weiterleitung an eine Fachstelle.
Bereits für sich selbst ein entsprechendes Anschreiben vorzubereiten, den Sachverhalt ein bisschen gedanklich zu ordnen und an einer zugänglichen Stelle zu speichern könnte hilfreich sein.