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Frage mich, ob das zusammenhängt und die Nationalmannschaft nicht vorher davon profitiert hat, dass sich so viele Spieler aus den Bundesligavereinen kannten. Ich erinnere mich auch, wie damals in meinem Freundeskreis immer gemeckert wurde, wie Jogi denn Poldi oder Klose mit in die Startaufstellung bei Weltmeisterschaften packen kann, die haben ihre Tore dann aber gemacht, oft auch aus überraschenden Situationen.
Das glaube ich nicht. Es gab und gibt immer einen massiven Block in der Nationalmannschaft, welcher logischerweise vom FC Bayern gestellt wird. Bei diesem kann man dann auch durchaus eine gewisse Eingespieltheit erwarten. Alle anderen Spieler kommen von anderen Vereinen und haben nicht gleich ein besseres Verständnis für diesen Block oder Mitspieler aus der gleichen Liga, weil sie 2x im Jahr gegen sie spielen.
Davon abgesehen hatte die Nationalmannschaft auch in der von dir genannten Phase viele Spieler aus anderen Ligen. Neben Mesut Özil, Sami Khedira und Per Mertesacker, haben übrigens auch Miroslav Klose und Lukas Podolski im Ausland gespielt.
Von dieser EM habe ich kein Spiel gesehen und nur ein paar Berichte und Kommentare gelesen, weshalb ich nicht ausschließen möchte, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, aber bei mir ist der Eindruck entstanden, dass sich im taktischen Bereich extrem in die Nesseln gesetzt wurde.
Man hat in der Offensive mit Werner, Gnabry, Sane und Havertz Spieler aufgeboten, die eine sehr gute Schnelligkeit, sowie Technik mitbringen und deshalb für ein schnelles Umschaltspiel prädestiniert wären. Gegen England soll Löw allerdings einen eher langsamen und kontrollierten Fußball spielen, weshalb die Offensive ihre größte Stärke kaum ausspielen konnte. Mit Werner und später Gnabry hat er außerdem Spieler als Mittelstürmer* aufgeboten, denen es an der nötigen Kopfballstärke fehlt, weshalb Flanken ebenfalls kein geeignetes Mittel waren.
Ein weiteres Problem bei schnellem Umschaltspiel ist natürlich, wenn der Gegner bereits mit einem Unentschieden zufrieden wäre und deshalb mit Mann und Maus verteidigt. Das war bereits gegen Südkorea 2018 ein Problem und Ungarn 2021 hat gezeigt, dass es immer noch akut ist.
Im Mittelfeld mit Kroos ODER Gündogan aufzulaufen mag sinnvoll sein, aber vom Spielertyp sind sie sich zu ähnlich, um mit Kroos UND Gündogan aufzulaufen. In ihren Vereinen haben sie immer einen Mitspieler an ihrer Seite, der ihnen den Rücken frei hält. In der Nationalmannschaft käme dafür wohl am ehesten Kimmich in Frage, welcher aber auf der Rechtsverteidigerposition aushelfen musste. Dass man mit den beiden zusammen eine gewisse Defensivschwäche in die Zentrale bringt, konnte man bereits vor dem Turnier erkennen.
Insgesamt habe ich einfach den Eindruck, dass Löw von den Entwicklungen im Fußball einfach überholt wurde und sich auch einfach abgenutzt hat, was nach 17 Jahren beim DFB wenig verwundern dürfte.
*Beim Thema Mittelstürmer kann man auch noch den DFB und seine Nachwuchsleistungszentren mit in die Verantwortung nehmen. Der klassische Mittelstürmer wurde in der Vergangenheit zwar bereits totgesagt, doch ist diese Position immer noch existent. Das Problem in den Nachwuchsleistungszentren ist aber, dass die vor etlichen Jahren ein paar Kids aussortiert haben, die nicht in das gefragte System gepasst haben, aber vielleicht einen passablen Mittelstürmer abgegeben hätten.