Hallo Arrakir,
Zitat von ArrakirTatsächlich hängt die Nachweispflicht davon ab, ob jemand lediglich für sich beschließt, an die Existenz von Big Foot zu glauben, oder ob er diesen persönlichen Glauben als objektiv wahr darzustellen versucht.
Nein eben nicht. Es kommt nicht darauf an, ob jemand seinen Glauben in die Welt hinaustragen will, oder nicht. Und es hängt auch nicht davon ab, ob er ihn zu beweisen versucht. Die Art der Aussage ist entscheidend. Deshalb funktioniert deine Analogie mit der Leber nicht, weil ein Geschmacksurteil eine andere Aussagequalität hat, als eine Existenzbehauptung. Eine passende Analogie wäre zu sagen: "Es gibt keine Leber." Das wäre eine (Nicht)Existenzaussage, und sie gälte nicht nur für dich, sondern beträfe auch alle anderen Menschen, und zwar auch dann, wenn du nicht versuchen würdest, diese Vermutung zu belegen. Wenn es deiner Meinung nach keine Leber gibt, dann können alle andere Menschen auch keine essen, egal ob du das jetzt überprüft hast oder nicht. Existenzaussagen haben immer einen Allgemeingültigkeitsanspruch, weil sie sagen, wie die Welt ist. Und die Welt betrifft immer auch alle anderen Menschen. Dieser Anspruch steckt in der Aussage selbst.
Nun ist das an sich kein Problem. Man muss die behauptete Existenz nicht beweisen, wenn man nicht will. Darum geht es bei der Argumentation auch nicht. Es geht um das Aufzeigen, dass es immer unvernünftig ist, so eine außergewöhnliche Behauptung ungeprüft für wahr zu halten. Und dieses Aufzeigen ist nötig, denn anders als Maegwin meint, stimmen Gläubige keineswegs zu, dass ihr Glaube unvernünftig sei. Ich habe kaum je einen getroffen oder von einem gelesen, ob in der Realität oder im Netz. Einige wenige wollten einen schwindelerregenden Spagat hinlegen, indem sie einräumten, dass der Glaube zwar irrational, aber gleichzeitig auch bitte schön vernünftig sei. Der Widerstand ist allerdings nicht verwunderlich. Wer lässt sich schon gerne erklären, dass er sich unvernünftig verhält?
Hallo Aegon_lebt,
Zitat von Aegon_lebt!Woher genau nimmst du die Überzeugung, dass ein gläubiger Mensch trotz seines Glaubens nicht auch kritisch mit eben diesem umgehen kann?
Würde er das tun, wäre die Konsequenz daraus die Aufgabe seines Glaubens. Sich wirklich kritisch mit etwas auseinander setzen, heißt ja nun mal, die Argumente für und wider abzuwägen, und sich dann den gewichtigeren zu beugen. Und eine Position, für die gar nichts spricht, außer die eigene Wunschvorstellung oder kindliche Indoktrination, hat keine gewichtigen Argumente. Worauf du vielleicht anspielst, sind Zweifel, die den ein oder anderen beizeiten überkommen, wenn der skeptische Verstand sich doch mal wieder aus dem Hinterkopf meldet. Aber das ist keine wirklich kritische Auseinandersetzung, denn diese Zweifel werden schließlich nicht durch Argumente zerstreut, sondern durch Emotionalisierung.
Danke für die aufschlussreiche Antwort zu Kuhn. Ich habe im Moment zu wenig Zeit, mich da einzulesen.
Aber Feyerabend? Der um sich schlagende Erkenntnisanarchist? Das verheißt nix gutes. Sein „Anything goes“ Prinzip, das die Welt in gleichberechtigte Traditionen partitioniert, fand ich schon immer ätzend. Es gibt doch kaum etwas so unbefriedigendes wie den Relativismus. Obwohl, erkenntnistheoretisch hat mich nichts so sehr geschockt wie meine erste Begegnung mit Hans Alberts Münchhausener Trilemma. Dass es keine Letztbegründung geben kann und daher am Anfang jeder Erkenntnis die „Beliebigkeit“ steht, war ein sehr unangenehmer Gedanke, für den ich ein ganzes Weilchen gebraucht habe, bis der verdaut war. Aber da war ich ja noch jung und naiver Realist.