Die große Halle war dunkel und verraucht. Eine Reihe Fackeln brannte links und rechts, gehalten von skelettartigen, menschlichen Händen, die aus den Mauern herausragten. Hoch über den Köpfen waren die hölzernen Sparren vom Rauch geschwärzt, und eine gewölbte Decke verlor sich im Schatten. In der Luft lag der Geruch von Wein und Bier und geröstetem Fleisch. Reek Magen knurrte hörbar bei diesem Duft und ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
Little Walder drängte ihn weiter, stolpernd, vorbei an den Tischen, an denen die Männer der Garnison aßen. Er konnte ihre Augen auf sich spüren. Die besten Plätze, oben in der Nähe des Podestes, waren besetzt mit Ramsay’s Lieblingen. Doch es saßen auch Fremde dort, Gesichter die er nicht kannte. Manche rümpften ihre Nase als er vorbeiging, während andere bei seinem Anblick lachten.
An der Stirnseite saß Bolton’s Bastard auf dem Platz seines Vaters und trank Wein aus dessen Kelch. Zwei alte Männer saßen bei ihm, und Reek wusste sofort, dass beide Lords waren. Einer war hager, mit kaltherzigen Augen, einem langen weißen Bart und einem Gesicht so hart wie Winterfrost. Seine Jacke war ein zerlumptes Bärenfell, abgetragen und speckig. Darunter trug er ein Kettenhemd, sogar hier am Tisch. Der zweite Lord war ebenfalls dünn, aber gebeugt, statt aufrecht wie der Andere. Eine seiner Schultern war viel höher als die Andere, und er hing über seinem Teller, wie ein Geier über Aas. Seine Augen waren grau und gierig, seine Zähne gelb, sein gegabelter Bart ein Durcheinander aus Schnee und Silber. Nur ein paar Strähnen weißen Haares hingen an seinem fleckigen Kopf, doch der Mantel den er trug, war vornehm und edel. Graue Wolle, eingefasst mit Zobelfell und an der Schulter befestigt mit einem Strahlenkranz gefertigt aus beschlagenem Silber.
Ramsay war gekleidet in schwarz und pink; schwarze Stiefel, schwarzer Gürtel und Schneide, schwarze Lederjacke über einem pinken, samtenen Wams, eingeschlagen mit dunkelrotem Satin. In seinem rechten Ohr glänzte ein Granat, geschnitten in der Form eines Bluttropfens. Trotz all des Prunks seiner Kleidung blieb er ein hässlicher Mann. Großknochig und gebeugt, und so massig, dass man erwarten kann, dass er später in seinem Leben einmal fett werden würde. Sein Gesicht war rosa und fleckig, seine Nase breit, seine Mund schmal und seine Haare lang, dunkel und dünn. Seine Lippen waren rosa und fleischig, doch das was Männer als Erstes an ihm bemerkten, waren seine Augen. Er hatte die Augen seines Vaters; schmal, engstehend, eigenartig blass. Geistergrau, nannte manche Männer diese Farbe, aber in Wahrheit waren seine Augen beinahe farblos, wie zwei Splitter aus schmutzigem Eis.
Beim Anblick von Reek lächelte er. „Da ist er ja. Mein mürrischer alter Freund.“ Zu den Männern neben ihm sagte er: „Reek ist schon bei mir seit ich ein kleiner Junge war. Mein Vater gab ihn mir, als Zeichen seiner Zuneigung.“
Die beiden Lords warfen sich einen Blick zu. „Ich hatte gehört euer Diener wäre tot“, sagte der Eine mit der schiefstehenden Schulter. „Erschlagen von den Starks, sagt man.“
Lord Ramsay grinste. „Die Ironmen würden Euch sagen, dass das was tot ist niemals stirbt, aber härter und stärker wieder aufersteht. Wie Reek. Er riecht nach Grab, deshalb, vergebe ich Euch .“
„Er stinkt nach Fäkalien und schalem Erbrochenem.“ Der bucklige Lord warf den Knochen an dem er genagt hatte beiseite und wischte sich die Finger am Tischtuch ab. „Gibt es einen Grund warum du ihn vor unseren Augen quälen willst, während wir essen?“.
Der alte Mann mit dem geraden Rücken und dem Kettenhemd studierte Reek mit seinen kaltherzigen Augen. „Sieh genauer hin“, drängte er den anderen Lord. „Sein Haar ist weiß geworden und er ist dreimal dünner, aber dies ist kein Diener. Hast du das vergessen?“
Der bucklige Lord sah noch einmal hin und grunzte überrascht. „Er? Kann das sein? Starks Mündel. Grinsend, immerzu grinsend.”
„Er grinst nicht mehr so oft in letzter Zeit”, gestand Lord Ramsay. “Ich habe womöglich einige seiner schönen, weißen Zähne gebrochen.”
„Du hättest besser daran getan ihm die Kehle aufzuschlitzen“, sagte der Lord mit dem Kettenhemd. „Ein Hund der sich gegen seinen Herrn stellt, ist zu Nichts anderem zu gebrauchen als zum häuten.“
„Oh, er wurde gehäutet. Hier und da“, erwiderte Ramsay.
„Ja, mein my Lord. Ich war böse, my Lord. Unverschämt und …“ Er leckte seine Lippen, versuchte etwas zu finden, dass er noch getan hatte. Diene und gehorche, sagte er zu sich, und er wird dich am leben lassen, und dir die Körperteile lassen, die du noch hast. Diene und gehorche, erinner dich an deinen Namen. Reek, Reek, passt zu bescheiden.
„Da ist Blut an deinem Mund“, bemerkte Ramsay. „Hast du wieder auf deinen Fingern gekaut, Reek?“
„Nein. Nein my Lord, ich schwöre.” Reek hatte einmal versucht sich seinen eigenen Ringfinger abzubeißen, um die Schmerzen zu beenden, nachdem sie ihm die Haut vom Finger gezogen hatten. Lord Ramsay würde einem Mann nie einfach seinen Finger abschneiden. Er bevorzugte es ihn zu häuten, und das offene Fleisch trocknen, aufplatzen und eitern zu lassen. Reek war ausgepeitscht und gefoltert und verstümmelt worden, aber kein Schmerz war so entsetzlich gewesen, wie der Schmerz nach dem Häuten. Es war die Sorte Schmerz die Männer wahnsinnig werden lässt und die man nicht lange ertragen kann. Früher oder später würde das Opfer betteln, „Bitte, aufhören, beendet die Schmerzen, schneidet ihn ab“, und Lord Ramsay würde ihm den Gefallen tun. Es war ein Spiel das sie spielten. Reek hatte die Regeln gut verstanden, doch das eine Mal hatte er sie vergessen und versucht die Schmerzen mit seinen Zähnen selbst zu beenden. Ramsay war nicht sehr erfreut darüber gewesen und der Verstoß hatte ihn einen weiteren Zeh gekostet. „Ich habe eine Ratte gegessen“, murmelte er.
„Eine Ratte?” Ramsay’s bleiche Augen funkelten im Fackelschein. „Alle Ratten in der Dreadfort gehören meinem Vater. Wie kannst du es wagen, dir ohne meine Erlaubnis eine als Mahlzeit zu nehmen?“
Reek wusste nicht was er antworten sollte, deshalb sagte er nichts. Ein falsches Wort könnte ihn eine Zehe kosten, sogar einen Finger. Bis jetzt hatte er zwei Finger an der linken Hand und den kleinen Finger der rechten verloren, aber nur den kleinen Zeh des rechten Fußes, im Gegensatz zu drei Zehen des Linken. Manchmal machte Ramsay Witze darüber, ihn auszubalancieren. Er möchte mir nicht weh tun, er tut es nur, wenn ich ihm einen Grund dafür liefere. My Lord ist gnädig und gut. Er hätte ihm die Haut vom Gesicht ziehen können, für einige der Dinge die Reek gesagt hatte bevor der seinen wahren Namen gelernt hatte und seinen rechtmäßigen Platz.
Lord Ramsay füllte seinen Kelch mit Bier. „Reek, ich habe gute Neuigkeiten für ich. Ich werde heiraten. Mein Vater bringt mir ein Stark-Mädchen. Lord Eddards Tochter Arya. Du erinnerst dich an die kleine Arya, nicht wahr?“
Arya die Ungeschickte, hätte er fast gesagt. Arya Pferdegesicht. Robbs jüngere Schwester, braunhaarig, längliches Gesicht, dünn wie ein Stock, immer dreckig. Sansa war die Schöne gewesen. Er erinnerte sich an eine Zeit in der er geglaubt hatte, Lord Eddard Stark würde ihn mit Sansa verheiraten. Doch das waren bloß Kinderträume. Arya, obwohl… “Ich erinnere mich an sie. Arya.”
“Sie soll die Herrin von Winterfell werden, mit mir als ihrem Lord.“
Sie ist noch ein Kind. „Ja, my Lord. Ich gratuliere.“
„Wirst du mich bei meiner Hochzeit begleiten, Reek?“
Er zögerte. „Wenn ihr es wünscht, my Lord.“
Er zögerte erneut, fragte sich, ob dies eine grausame Falle sein könnte. „Ja, my Lord. Wenn es euch erfreut, wäre es mir eine Ehre.“
„Wir werden dich dann aus diesem scheußlichen Verlies herausholen müssen. Dich wieder sauber schrubben, dir ein paar saubere Sachen besorgen, etwas zum Essen. Ich habe eine kleine Aufgabe für dich, und du wirst deine Kräfte brauchen, wenn du mir zu Diensten sein willst. Ich weiß. du willst mir zu Diensten sein.“
„Ja, my Lord. Mehr als alles Andere.“ Ein Schauer überkam ihn. „Ich bin Euer Reek. Bitte lasst mich Euch dienen, bitte.“
„Wenn du so höflich fragst, wie könnte ich dich zurückweisen?“ Ramsay Bolton lächelte. „Ich reite in den Krieg, Reek. Und du wirst mich begleiten, mir helfen meine jungfräuliche Braut nachhause zu holen.