Was Männer in (para-)militärischen Einrichtungen so anstellen und von sich verlangen, weiß ich nicht, ich glaube, diese Denkweisen sind mir so fremd, die verstehe ich einfach nicht. Auf eine drohende Gefahr zu reagieren und nicht schnöde Schema F durchzuziehen, erscheint mir einfach sinnvoller und pragmatischer. Insbesondere vor dem Hintergrund einer sowieso immer geringer werdenden Mitgliederzahl der Nachtwache.
Es ist dir natürlich freigestellt, auf Basis deiner eigenen Werte und Normen Sympathie oder auch Antipathie zu bekunden, ich halte es aber für wichtig, bei der Bewertung eines Charakters oder dessen Taten den gesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen. Ich hatte bei den bisherigen Kapiteln ein bisschen das Gefühl, dass ein Haufen Sachen an Charakter herangetragen wird, die letzten Endes alle auf den Satz hinauslaufen: "Ich werfe dem Charakter vor, kein Vordenker eines humanistischen, aufgeklärten, demokratischen und liberalen Menschenbildes zu sein." Das kann man zwar machen, allerdings nimmt man sich damit meiner Meinung nach ein bisschen die Gelegenheit, eine weitere "Stufe der Erkenntnis" zu beschreiten. Persönliche Sympathien oder Antipathien sind davon übrigens nicht zwangsläufig betroffen. Man kann beispielsweise Tywin Lannister wunderbar nachvollziehbar decodieren und ihn am Ende immer noch für ein Arschloch halten. Wenn ich allerdings nur dem ersten Impuls folge, laufe ich Gefahr, verschiedene Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu übersehen und einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen.
Daher in diesem Fall mein Verweis darauf, dass der unsympathische Waymar an dieser Stelle seine Aufgabe wesentlich ernster zu nehmen scheint als seine vermeintlich armen Untergebenen. Die Grenzer der Nachtwache sind der militärische Teil des Ordens und als solcher sowohl für die Aufklärung als auch die Kampfhandlungen selbst zuständig. Dies beinhaltet die Notwendigkeit zur Bereitschaft, im Ernstfall sein eigenes Leben für seine Ordensbrüder oder die Sache des Ordens zu opfern. Niemand soll sein Leben wegwerfen, aber ein Grenzer, der bei einem diffusen Gefühl von Gefahr umkehrt, ist ziemlich nutzlos. Was uns zu dem speziellen Fall hier bringt. Die drei haben den Auftrag, die Wildlinge zu verfolgen. Der Bericht, den Will erstattet, ist aber inakzeptabel. Ein Haufen hartgesottener Menschen stirbt bei milden Temperaturen ohne sichtbare Verletzungen? Eine solche Information wäre absolut nichtssagend und unbrauchbar. Waymars Forschungsdrang ist daher in meinen Augen ebenso nötig wie nachvollziehbar. Der Feindkontakt mit einem unerwarteten Gegner am Ende fällt dann unter Berufsrisiko. Aber während ich Will zrotz fehlender Warnung noch zugute halte, dass er plant, an die Mauer zurückzukehren und Bericht zu erstatten, und sich dabei nur etwas dusselig anstellt, versagt mit Gared derjenige, der der Mission durch seine Rückkehr einen Wert verleihen könnte, auf ganzer Linie. Ohne das im Detail miteinander vergleichen zu wollen, aber selbst Sam zeigt angesichts der Anderen letzten Endes mehr Mut.