Der Frust Thread

  • Zitat

    Zunächst einmal: Eine Lücke bei sexueller Gewalt besteht nicht (das hat jetzt aber nichts mit den Grapscher-Fällen zu tun), jedoch kann man die "Grapscher"-Fälle als Strafbarkeitslücke ansehen.


    Ich habe oben schon geschrieben, dass ich heute nicht mehr dazu komme.


    Zitat

    Nun haben wir es aber bei den von Dir beschriebenen Grapscher-Fällen mit zwei Menschen zu tun. In der Berührung eines fremden Menschen wird man kaum eine der Enteignung gleichstehende Handlung sehen können, denn der oder die Betroffene büßt hier nichts ein. Der Vergleich der Tatbestände in ihrer konkreten Ausgestaltung (und nicht nur in ihrem dogmatischen Aufbau, worauf Fischer auch im Wesentlichen hinaus will) hinkt daher: Bei einer Berührung wird niemand enteignet oder einer sonstigen Rechtsposition beraubt. Man ist lediglich einer unbefugten Benutzung (ich weiß, dass dieses Wort nicht passt) ausgesetzt. So ergeht es dem Betroffenen einer Gebrauchsanmaßung: Er ist in seinem Vermögen nicht geschmälert, aber einer Nutzung ausgesetzt.


    Die Gebrauchsanmaßung ist nicht straffrei, wenn dem Besitzer durch die Nutzung ein Wertverlust entsteht indem ihm ein Substanz- oder Sachwert entzogen wird. Wenn wir bei dieser unpassenden Parallele verbleiben wollen, handelt es sich bei der Nutzung um einen Wertverlust am körperlichen und psychischen Wohlbefinden des Objekts, der nicht dadurch aufgehoben ist, dass die Nutzung eingestellt wird.


    Im Übrigen scheint mir die Argumentation in der Welt der Übergriffe recht einsam zu sein. Ich denke nicht, dass unterstellt wird, ich würde keinen Schaden erleiden, wenn ich nach einer Ohrfeige wieder frei und uneingeschränkt über mein Gesicht verfügen kann.


    Zitat


    Menschliche Interaktion lässt sich darüber hinaus nicht in ein Ja/Nein-Schema wie beim Eigentum pressen, was Fischer auch zutreffend feststellt. Eine objektivierbare Perspektive wie das ausdrückliche Einverständnis einer Vermögensverschiebung wird man bei der nonverbalen Kommunikation zwischen zwei Menschen nicht formulieren können. Forderst Du nun aber vor jeder Berührung ein Einverständnis, so erstickst Du geradezu den Umgang von Menschen untereinander in Gänze. Denn welche Berührungen sollen denn dann umfasst sein?


    Die Argumentationsweise stört mich an Fischer am massivsten.
    Er möchte aus Menschen keine unmündigen Idioten machen und erklärt sie selbst zu unmündigen Idioten, gewürzt mit Panikmache.
    Ein Einverständnis, sei es nun mit einer Vermögensverschiebung oder einer sexuellen Handlung kann natürlich nicht nur ausdrücklich sondern auch konkludent erklärt sein.


    Wer kennt das nicht von Zuhause:
    "Heh, das ist mein Brot!"
    *Happs*
    "Strafanzeige ist raus!"
    Nun, vermutlich niemand. Ebensowenig wie eine Strafanzeige wegen Unterschlagung weil man mit Freundes Fahrrad zum Netto geradelt ist. Oder die Strafanzeige wegen Beleidigung, weil man zu einem Kumpel im Eifer des Fußballgefechts "Du Depp!" gesagt hat.
    Seltsam - denn die Paragraphen zu Diebstahl, Unterschlagung und Beleidigung gibt es doch schon seit einer ganzen Weile. Vermutlich wird es auch in diesem Fall einfach mal so sein, dass man gegenüber Personen die man gut kennt bereits auf bestimmtes Vorwissen zurückgreifen kann und deren konkludente Einverständnis zu bestimmten Handlungen voraussetzen kann. Und sich Personen deren Wille und Gewohnheiten einem fremd ist, vorsichtig verhalten soll und im Zweifelsfall direkt verbal kommunizieren. Aber das wissen wir ja hoffentlich bereits.


    Zitat

    Es soll ultima ratio sein, deshalb sind Schutzlücken im Strafrecht geradezu unumgänglich. Das Strafrecht soll nur die allerschwersten Verstöße ahnden und auch hinreichend bestimmt sein.


    Genau. Deswegen kann man jemanden strafrechtlich verfolgen lassen, der einem in der U-Bahn spontan einen Flip aus der Chipstüte klaut, aber nicht jemanden der einem ebenso spontan über Hals, Wange oder Ausschnitt leckt. Meinetwegen auch gern als Antragsdelikt.



    Zitat

    Die Stellungnahmen der Praktiker sind doch recht eindeutig: Auch wenn Oberstaatsanwalt Eisenhuth eine Schutzlücke sieht, lehnt er eine Einführung eines solchen Tatbestandes ab.


    Hast du die Stellungnahme selbst gelesen? Aus meinem Link ergibt sich das nicht.

    I have been despised by better men than you.


  • Die Gebrauchsanmaßung ist nicht straffrei, wenn dem Besitzer durch die Nutzung ein Wertverlust entsteht indem ihm ein Substanz- oder Sachwert entzogen wird. Wenn wir bei dieser unpassenden Parallele verbleiben wollen, handelt es sich bei der Nutzung um einen Wertverlust am körperlichen und psychischen Wohlbefinden des Objekts, der nicht dadurch aufgehoben ist, dass die Nutzung eingestellt wird.
    Im Übrigen scheint mir die Argumentation in der Welt der Übergriffe recht einsam zu sein. Ich denke nicht, dass unterstellt wird, ich würde keinen Schaden erleiden, wenn ich nach einer Ohrfeige wieder frei und uneingeschränkt über mein Gesicht verfügen kann.


    Dennoch sind die Delikte nicht gänzlich vergleichbar. Führt die Gebrauchsanmaßung zu einem Wertverlust der Sache, haben wir entweder Diebstahl, Unterschlagung oder eine Sachbeschädigung. Diese Delikte passen aber wiederum nicht: Bei Diebstahl und Unterschlagung habe ich eine berechenbare Vermögenseinbuße, ebenso bei der Sachbeschädigung.
    Die Ohrfeige hingegen ist eine Körperverletzung, da es zumindest eine körperliche Misshandlung ist. Eine Berührung ist aber keine körperliche Misshandlung. Sie erzeugt allenfalls ein Gefühl des Unbehagens oder des Ekels. Ob dafür nun schon eine Strafbarkeit gegeben sein muss, sehe ich jedenfalls sehr kritisch, da wir uns dann schon im Bagatellbereich bewegen. Und bevor jetzt die Vorwürfe mangelnden Einfühlungsvermögens kommen sollten: Ich bin zwar männlich, aber mit meinen 21 Jahren auch schon sexuell belästigt worden. Zwei Mädels meinten mir auf der Rolltreppe auf den Hintern hauen zu müssen und bescheinigten mir einen Knackarsch. Wäre strafbar, wenn man das mit dem Grapschen durchziehen will. Aber ganz ehrlich: Mich hat es nicht sonderlich gejuckt. Das gehört nun mal auch dazu, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt. Kein Grund für mich, da eine Strafbarkeit zu fordern.



    Nun liegt es in der Natur der Sexualdelikte, dass sie meist erst dann auf den Tisch kommen, wenn der "Rosenkrieg" ausgebrochen ist. Die seltensten Anzeigen gehen ja während einer Beziehung raus. Daher sehe ich keine Vergleichbarkeit mit solchen Beispielen wie Du sie genannt hast. Darüber hinaus gibt es auch beim Kennenlernen zig Möglichkeiten, in denen man eben nicht auf ein Vorwissen zurückgreifen kann. Der erste Kuss ist doch der Klassiker, der eben nicht immer zur "rechten" Zeit kommt. Ich tendiere in diesen Fällen eher zum Grundsatz, dass man lieber die Freiheiten belassen sollte, anstatt den Leuten irgendwelche speziellen Verhaltensweisen aufzuoktroyieren. Das Meiste ist ja eh Erziehungssache. Mit dem Strafrecht wird aber mit Kanonen auf Spatzen geschossen und das Ganze würde von einer arg konstruierten konkludenten Zustimmung abhängig gemacht (denn dann sind wir ja wieder beim "Du wolltest es ja auch..."), deren Feststellung vor Gericht sich der Betroffene aber nie sicher sein kann.



    Genau. Deswegen kann man jemanden strafrechtlich verfolgen lassen, der einem in der U-Bahn spontan einen Flip aus der Chipstüte klaut, aber nicht jemanden der einem ebenso spontan über Hals, Wange oder Ausschnitt leckt. Meinetwegen auch gern als Antragsdelikt.


    Mal abgesehen davon, dass beim "Flipklau" eine Einstellung des Verfahrens vollkommen sicher ist, hinkt doch wie gesagt der Vergleich der Vermögensdelikte mit den Sexualdelikten. Wie gesagt, zwischenmenschliche Handlungen sollten restriktiv strafrechtlich geregelt werden, weil Missverständnisse und ähnliches nun mal zum Zusammenleben dazugehören, ohne dass gleich das Strafrecht um die Ecke biegen muss. Der Ausschnitt-Schlecker ist ja wieder ein Extrembeispiel, das kaum Praxisrelevanz entfaltet. Letztlich wird jeder Versuch des Gesetzgebers, das irgendwie strafrechtlich zusammenzufassen daran scheitern, dass die Rechtsprechung eine unabsehbare Ausweitung befürchten und den Tatbestand extrem eng fassen wird. Damit ist dann aber auch keinem mehr geholfen.


    Zitat

    Hast du die Stellungnahme selbst gelesen? Aus meinem Link ergibt sich das nicht.


    Da steht doch da in dem Link zu den einzelnen Personen, welche Auffassung sie vertreten?

  • Tyraxes: Sag mal, was ärgert und frustriert dich jetzt eigentlich so dolle an dem Thema?


    Und:

    Ich bin zwar männlich, aber mit meinen 21 Jahren auch schon sexuell belästigt worden. Zwei Mädels meinten mir auf der Rolltreppe auf den Hintern hauen zu müssen und bescheinigten mir einen Knackarsch. Wäre strafbar, wenn man das mit dem Grapschen durchziehen will. Aber ganz ehrlich: Mich hat es nicht sonderlich gejuckt. Das gehört nun mal auch dazu, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt. Kein Grund für mich, da eine Strafbarkeit zu fordern.


    Schön für dich. Vielleicht sehen das andere anders. Ich zum Beispiel. Ich lasse mich ungerne von irgendwelchen Deppen angrapschen, manchmal bleibt es nicht dabei, was übrigens auch ein Erfahrungswert ist, bei dem ich froh bin, wenn das nicht als Bagatelle behandelt wird und ja, ich fühle mich dann körperlich missbraucht, wenn irgend ein Penner mir an die Titten grapscht für seine persönliche Befriedigung oder sich vor mir einen runter holt oder mir im Schwimmbad zwischen die Beine greift oder die drei Kumpels im Zug aufdringlich werden oder die anderen drei Kumpels einem im Bus in den Haaren rumgrabbeln und am Hals rumfummeln und weiter runter gehen und der bierseelige Widerling an der Theke versucht, einen anzutanzen und einen dabei halb mit auf den Boden nimmt, obwohl man das nicht will und einem dann noch die bierfeuchten Lippen ins Gesicht drückt. Das ist übrigens nicht das Ende der Liste. Ich glaube, ich kenne keine Frau, die das nicht schon mindestens einmal sondern ebenfalls mehrmals erlebt hat. Ach, übrigens auch schon lange vor der Flüchtlingswelle.


    Das hat zwar nur marginal mit eurer Fachdiskussion zu tun und ich verstehe die theoretische Auseinandersetzung. Was ich dich aber gerne fragen würde: schließt du auf Grund deines persönlichen Gefühls darauf, dass diese Angelegenheit deswegen überzogen wäre? Deine Antwort dazu würde mich wirklich interessieren.

    "[…] Ich wünschte, all das wäre nie passiert …" "Das tun alle, die solche Zeiten erleben, aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden … Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist." (J.R.R. Tolkien, Frodo und Gandalf)

  • Zitat

    Dennoch sind die Delikte nicht gänzlich vergleichbar. Führt die Gebrauchsanmaßung zu einem Wertverlust der Sache, haben wir entweder Diebstahl, Unterschlagung oder eine Sachbeschädigung. Diese Delikte passen aber wiederum nicht: Bei Diebstahl und Unterschlagung habe ich eine berechenbare Vermögenseinbuße, ebenso bei der Sachbeschädigung.


    Nicht zwingend, nein. Die Delikte können sich auch auf einen Gegenstand ohne objektiven Verkehrswert beziehen (so wie in unserem Fall) und der jeweilige Verlustwert ist dann im Rahmen einer Annäherung nach objektiven Erfahrungswerten für den jeweiligen Einzelfall festzusetzen - und liegt praktisch in den Händen der Rechtsprechung.


    Zitat

    Sie erzeugt allenfalls ein Gefühl des Unbehagens oder des Ekels. Ob dafür nun schon eine Strafbarkeit gegeben sein muss, sehe ich jedenfalls sehr kritisch, da wir uns dann schon im Bagatellbereich bewegen.


    Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass sich das Aufnehmen einer einzelnen Erdnuss aus einer fremden Schale ebenfalls im Bagatellbereich bewegt und dennoch strafrechtlich verfolgt werden kann. Noch eindeutiger im Bereich der Beleidigung in dem ein hingemurmeltes "Kuh" allenfalls eine kurzzeitiges Gefühl der Herabwürdigung (!) bedeutet und dennoch strafrechtlich relevant ist.
    Das Bagatellargument zieht folglich in keiner Weise. Auch nicht relativierend auf deine singulären persönlichen Erfahrungen (die sich psychologisch - zumindest im konkret geschilderten Fall schlecht umkehren lassen). Die grundsätzliche Strafbarkeit und die persönliche Inanspruchnahme der Verfolgung für den konkreten Fall (wie auch im Falle der Beleidigung und des Diebstahls geringwertiger Sachen) sind zwei verschiedene Stiefel.


    Zitat

    Nun liegt es in der Natur der Sexualdelikte, dass sie meist erst dann auf den Tisch kommen, wenn der "Rosenkrieg" ausgebrochen ist. Die seltensten Anzeigen gehen ja während einer Beziehung raus. Daher sehe ich keine Vergleichbarkeit mit solchen Beispielen wie Du sie genannt hast.


    Du hast selbst als Beispiel ein Paar angebracht, dass sich einvernehmlich mit Liebkosungen überraschen möchte - das läuft niemals Gefahr sich einem potentiell strafrechtlichen Bereich auszusetzen. Eine vorsätzlich betrügerische Partei ist auf den neuen § 184 i StGB hingegen wohl kaum angewiesen.
    Dieser Logik nach müsste man die Vergewaltigung innerhalb der Beziehung wieder straffrei stellen, weil Missbrauchsgefahr besteht. Das ist keine Problematik der Normierung.


    Zitat

    Der erste Kuss ist doch der Klassiker, der eben nicht immer zur "rechten" Zeit kommt.


    Entschuldigung - damit macht man Erwachsene doch wieder zu Idioten.
    Auch derjenige, der nicht den perfekten Augenblick erwischt wird doch hoffentlich grundsätzlich auf Grund objektiv vorhandener Hinweise auf eine konkludente Zustimmung seiner Partnerin handeln - weshalb auch sonst. Im Falle eines möglichen Fehlversuches beim Händchenhalten beim dritten Date kann man nach Erfahrungswerten nicht von einer Belästigung ausgehen. Auch wird in diesem Fall kaum eine Strafanzeige einflattern, weil das perfekte Lied noch nicht lief.


    Wenn jemand fremden Ommis beim Edeka an der Kasse die Zunge in den Mund stopft, lag eine konkludente Zustimmung objektiv betrachtet hingegen wohl eher nicht vor.



    Zitat

    Da steht doch da in dem Link zu den einzelnen Personen, welche Auffassung sie vertreten?


    Ja, und bei Eisenhuth nicht, dass er dagegen wäre.

    I have been despised by better men than you.

  • *seufz* Ich bin heute aus meinem (sehr kurzen) Urlaub zurückgekommen und will schon wieder zurück. Das war so so schön dort...glasklarer Bergsee zum Schwimmen vor der Haustür, jede Menge scheusslich steile Wanderwege zum Verausgaben...Almen mit glöckchenbimmelnden Kühen... Brotzeiten und Kässpatzen...das hätt' ich locker noch eine Woche vertragen können...
    Würde so gern direkt wieder umkehren :(

    "I swear, I will go to my grave thinking of my brother’s peach." (Stannis Baratheon)

  • Zitat

    Das hat zwar nur marginal mit eurer Fachdiskussion zu tun und ich verstehe die theoretische Auseinandersetzung.


    Huch, dich hatte ich ja ganz übersehen. :)


    Tatsächlich ist an unserer theoretischen Auseinandersetzung nicht viel dran. Rechtlich ist das Ganze in drei Minuten abgefrühstückt.
    Es besteht eine ganz klare Regelungslücke, Strafbewährtheit ist im dem Einschnitt in die Unversehrtheit nach vergleichbaren Fällen längst vorhanden und unterliegt auch bereits der gleichen objektiven Auslegung.


    Die Gegner fischen entsprechend eher im emotionalen denn rationalen Bereich, teilweise in recht hysterischer Manier.


    Teilweise wird versucht der Eindruck zu vermitteln, durch den neu entstehenden Paragraphen werde jede zwischenmenschliche Berührung kriminalisiert. Ebenso könnte man sagen durch den Straftatbestand der Beleidigung werde die verbale Kommunikation ausgebremst oder die nonverbale durch den Straftatbestand der Körperverletzung.
    Im letzteren sind Berührungen einer bestimmten Sorte - nämlich Misshandlungen längst umfasst, auch wenn der Übergriff zu keinem äußerlich messbaren Schaden (Ohrfeige) führt.



    Beliebt auch der Versuch Ängste zu schüren, hinsichtlich der faktisch sehr massiv vorhandenen und medial präsenten aber statistisch betrachtet völlig belanglosen Sorge zu Unrecht eines sexuellen Übergriffs bezichtigt zu werden. Abgesehen von der (rechnerisch) grundsätzlichen Irrationalität muss man bezüglich des geplanten §184i StGB auf stark konstruierte Fälle zurückgreifen. In der Palette möglicher falscher Beschuldigungen wird im Falle des Falles der erfundene Vorwurf der Wahl kaum lauten, der hochverhasste Ex-Partner habe einen vor drei Jahren in den Hintern gezwickt.



    Zudem wird hier gern übersehen - oder absichtlich unter den Tisch fallengelassen - dass die Tat immer noch den objektiven ! Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen muss, der sich eben nicht am rein subjektiven Empfinden des Opfers ausrichtet.
    Entsprechend wird dieser in all den Fällen der vorsichtigen Anbahnung einer Beziehungsphase regulär nicht gegeben sein, sofern es nicht gerade Sitte des Täters ist Fremde auf Tankstellen anzuspringen und sie mit spontaner "Beziehungsanbahnung" zu überraschen.



    Zitat

    Ich bin zwar männlich, aber mit meinen 21 Jahren auch schon sexuell belästigt worden. Zwei Mädels meinten mir auf der Rolltreppe auf den Hintern hauen zu müssen und bescheinigten mir einen Knackarsch. Wäre strafbar, wenn man das mit dem Grapschen durchziehen will. Aber ganz ehrlich: Mich hat es nicht sonderlich gejuckt. Das gehört nun mal auch dazu, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt. Kein Grund für mich, da eine Strafbarkeit zu fordern.


    Auf diese persönliche Ebene hier möchte ich ehrlichgesagt gar nicht unbedingt eingehen. Die Erfahrung "mit 21 Jahren bereits sexuell belästigt worden zu sein" könnte mir sonst eine polemische Bemerkung entlocken, die man fälschlicherweise als Bagatellisierung der Tat werten könnte.
    Tatsächlich ist es aber der Glaube man könnte diesen Sachverhalt tatsächlich qualitativ und quantitativ als beispielhaft werten um auf ein generelles Rechtschutzbedürfnis oder dessen mangelnde Notwendigkeit abzuleiten.

    I have been despised by better men than you.

  • Huch, dich hatte ich ja ganz übersehen. :)


    Ach, nicht schlimm. ^^ Aber ich bin ganz froh, dass du noch geantwortet hast.


    Zitat

    Tatsächlich ist an unserer theoretischen Auseinandersetzung nicht viel dran. Rechtlich ist das Ganze in drei Minuten abgefrühstückt.
    Es besteht eine ganz klare Regelungslücke, Strafbewährtheit ist im dem Einschnitt in die Unversehrtheit nach vergleichbaren Fällen längst vorhanden und unterliegt auch bereits der gleichen objektiven Auslegung.


    Ich finde es nämlich wirklich nicht ganz einfach, sich in der Debatte zu orientieren, ohne sich nicht Stundenlang im Netz zu vergraben und zu recherchieren. Daher ist so ein Schlagabtausch für mich gerade ganz interessant. Weil nämlich...


    Zitat

    Die Gegner fischen entsprechend eher im emotionalen denn rationalen Bereich, teilweise in recht hysterischer Manier.
    Teilweise wird versucht der Eindruck zu vermitteln, durch den neu entstehenden Paragraphen werde jede zwischenmenschliche Berührung kriminalisiert. Ebenso könnte man sagen durch den Straftatbestand der Beleidigung werde die verbale Kommunikation ausgebremst oder die nonverbale durch den Straftatbestand der Körperverletzung.
    Im letzteren sind Berührungen einer bestimmten Sorte - nämlich Misshandlungen längst umfasst, auch wenn der Übergriff zu keinem äußerlich messbaren Schaden (Ohrfeige) führt.
    Beliebt auch der Versuch Ängste zu schüren, hinsichtlich der faktisch sehr massiv vorhandenen und medial präsenten aber statistisch betrachtet völlig belanglosen Sorge zu Unrecht eines sexuellen Übergriffs bezichtigt zu werden. Abgesehen von der (rechnerisch) grundsätzlichen Irrationalität muss man bezüglich des geplanten §184i StGB auf stark konstruierte Fälle zurückgreifen. In der Palette möglicher falscher Beschuldigungen wird im Falle des Falles der erfundene Vorwurf der Wahl kaum lauten, der hochverhasste Ex-Partner habe einen vor drei Jahren in den Hintern gezwickt.


    ... genau das mein Eindruck ist, wenn ich momentan in irgendeiner Kneipe am sitze. Wobei die Jungs, mit denen ich mich da unterhalte, eher selbst verwirrt zu sein scheinen, als dass sie die großen Sprüche kloppen würden. Und die Angst, jetzt zum 'Opfer' zu werden, ist wirklich weit verbreitet. Ich glaube, die Masse versteht nicht recht, was da besprochen und beschlossen wird/wurde und deswegen wird das Thema am Stamm (-Tisch) mal wieder runter gebrochen auf 'Frauen gegen Männer' und Genderdebatten, die von männlicher Seite in der Angst, verfolgt werden zu können, völlig abstrus werden. Wobei ich sagen muss, dass die meisten Jungs, mit denen ich in der letzten Woche diskutiert habe, schon den Ansatz verfolgen, dass Opferschutz vorgehen sollte. Na, das war der Report 'von der Straße' zu dem Thema. ;)


    Renly's Peach: Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Du hast mein Mitgefühl! *Kasspatzen reicht*

    "[…] Ich wünschte, all das wäre nie passiert …" "Das tun alle, die solche Zeiten erleben, aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden … Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist." (J.R.R. Tolkien, Frodo und Gandalf)

  • Zitat

    Ich glaube, die Masse versteht nicht recht, was da besprochen und beschlossen wird/wurde und deswegen wird das Thema am Stamm (-Tisch) mal wieder runter gebrochen auf 'Frauen gegen Männer' und Genderdebatten, die von männlicher Seite in der Angst, verfolgt werden zu können, völlig abstrus werden. Wobei ich sagen muss, dass die meisten Jungs, mit denen ich in der letzten Woche diskutiert habe, schon den Ansatz verfolgen, dass Opferschutz vorgehen sollte.


    Man muss den Beteiligten versuchen nachsehen, dass sie versuchen sich nach ihrem persönlichen Erfahrungsschatz richten.
    Die eigenen Erfahrungen mit sexueller Belästigung in der Opferrolle sind seltener und lösen auf Grund körperlicher Überlegenheit und eines anders gelagerten Reproduktionsverhaltens oft (nicht immer) eine deutlich schwächere Reaktion aus.
    Meiner Erfahrung nach tun sich Freunde mit dem Nachempfinden schon einmal ein kleines bisschen leichter, wenn sie den weiblichen Belästiger gedanklich für sich durch einen männlichen und etwas korpulenteren ersetzen als sie selbst.
    Zumindest mein männlicher Freundeskreis ist (RL) kultiviert, geordnet und würde sich nicht dazu herablassen in einer Diskothek "abklatschen" zu spielen. Dementsprechend wenig Vorstellung hat er allerdings auch davon, wie häufig solche Übergriffe tatsächlich vorkommen und ob Regelungsbedarf bestehen könnte.


    Insofern muss man sich als Frau auch mal erklären und die Verhältnisse geraderücken:


    Das Problem, dass ich jemanden kennengelernt hätte und er sich nach auch nur zehn Minuten Gespräch irrig hinsichtlich meiner Flirtabsichten vertan hätte oder ich jemandem böse gewesen sein müsste, weil derjenige die wohlzugewiesene Friendzone verlassen hätte (was so an sich recht oft vorkam), hatte ich persönlich im gesamten Leben nicht ein einziges mal.


    Dafür gerne mal während einer einzigen Arbeitsschicht zur Nebenjobzeit in der Disco vier oder fünf mal an einem Abend von Wildfremden in unterschiedlichstem alkoholischen Aggregatszustand, Alter und Stärkegraden hinten eine draufgezeckt bekommen.
    Immerhin bestand dort die Möglichkeit eine der Türsteher dezent auf solche Besucher hinzuweisen - wäre es nicht einer der Türsteher gewesen, mit dessen Handabdruck (alle fünf Finger einzeln abgebildet) als Bluterguss ich mal eine gute Zeit lang rumgelaufen bin. In diesem Fall wäre natürlich auch der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt gewesen.
    Ich habe hier absichtlich einen sehr kurzen Zeitraum genommen und mich lediglich auf den Übergriffsbereich beschränkt, der sich in etwa mit Tyraxes Erfahrung deckt. Ohne besondere Lust zu haben aufzuzählen welche bereits vorhandenen strafrechtlich relevanten Paragraphen ich schon abgearbeitet habe bzw. die an mir abgearbeitet worden sind, soll es der Deutlichmachung dienen, dass ich mit der Feststellung "so etwas würde dazugehören, wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege" folglich nur bedingt konform gehen kann.

    I have been despised by better men than you.

  • Die Gegner fischen entsprechend eher im emotionalen denn rationalen Bereich, teilweise in recht hysterischer Manier.


    Das ist schon ziemlich unfair.


    Ja, bezüglich des "Grabschens" besteht eine Regelungslücke. Ja, Objekt von sowas zu werden ist mitunter ekelhaft bis beängstigend, und Frauen leiden darunter sicher wesentlich öfter als Männer.


    Die Gegenposition besagt, dass die Regelung, so wie sie vorgesehen ist, wesentlich mehr Probleme schaffen wird, als sie jemals lösen kann. In den Fällen, wo das Grabschen durch einen Unbekannten im öffentlichen Raum geschieht, wird es so gut wie gar keinen praktischen Unterschied machen, auch dann nicht, wenn man so einen Vorfall tatsächlich anzeigt (aber hier mag es wenigstens isolierte Einzelfälle geben, wo es anders ist). In den Bereichen, wo zumal unter Alkoholeinfluss üblicherweise geflirtet und mitunter auch gegrabscht wird (Clubs, Bars etc) ist der Tatbestand so niedrigschwellig (deine Beispiele, kait, umfassen fast alle eine Nötigungshandlung und sind schon jetzt strafbar), dass er in der Praxis ignoriert werden wird. Da, wo er überhaupt Relevanz entfalten kann - Beziehungen bzw. verflossene Beziehungen - hat er mit der Intention eigentlich nicht mehr viel zu tun und ist lediglich eine Steilvorlage zum Rosenkrieg, wie Tyraxes bereits schrieb.


    Und tatsächlich besteht die Gefahr, an und für sich recht harmloses Verhalten zu kriminalisieren. Es ist, zumal in der Anfangsphase von Beziehungen, eben nicht immer eindeutig, was der oder die jeweils andere will. Und es gibt Situationen, in denen "sexuell bestimmte körperliche Berührungen" die Dinge unter Bekannten vereinfachen, weil sie nämlich eine Intention offenbaren, die verbal im Kontext nicht hätte ohne weiteres ausgedrückt werden können. Hatte ich als "Objekt" schon mehrfach. Welche Schwelle will man dort für Strafbarkeit gelten lassen? Ein Streichen durch den Nacken oder (bei Männern) über die Brust wäre ja bereits erfasst.


    Besonders krass ist das in der geplanten Neufassung des §177, die einerseits in Absatz 1 (und besonders in Absatz 2 Nr. 3) nicht wirklich klar vom "Grabsch"-Tatbestand abgegrenzt ist und andererseits letzlich Fahrlässigkeit einführt. Man muss nicht auf irgendwelche abstrusen Fallkonstruktionen abstellen, um hier auf die Idee zu kommen, dass das vielleicht ein klitzekleines bisschen übertrieben sein könnte. Insbesondere, weil hier auch der Versuch strafbar sein soll. Aber was ist der Versuch einer Fahrlässigkeitshandlung? Es ist überhaupt nicht klar, welches Verhalten strafwürdig sein soll. Der Versuch eines Zungenkusses aus einem "keuschen" Kuss heraus, der ihm/ihr unangenehm ist, weil er/sie schlecht schmeckt? Wenn der oder die das Gesicht verzieht, sich aber nicht sofort, sondern erst verspätet zurückzieht, der oder die andere das aufgrund geschlossener Augen nicht sofort mitbekommt, wäre das künftig (theoretisch) strafbar. Und hier reden wir ja über Vollendung, nicht über den Versuch. Der Versuch bestünde vielleicht in der Annäherung des Gesichts in Verkennung eines Stirnrunzelns oder so, auch wenn der oder die andere sich noch problemlos zurückziehen kann und das auch tut.


    Das sind Kanonen auf Spatzen. Das Strafrecht ist für die unendlichen Feinheiten von Beziehungsanbahnung unterhalb einer gewissen Schwelle einfach nicht wirklich geeignet und öffnet in der konkreten Planung Tür und Tor für "Missbrauch". Gelöst wird dadurch wenig bis nichts, im Gegenteil ist die Wahrscheinlichkeit so gering nicht, dass das Strafrecht einfach unterlaufen bzw. ignoriert wird. Und damit tut man der Intention des besseren Schutzes einen Bärendienst.

  • Zitat

    Die Gegenposition besagt, dass die Regelung, so wie sie vorgesehen ist, wesentlich mehr Probleme schaffen wird, als sie jemals lösen kann. In den Fällen, wo das Grabschen durch einen Unbekannten im öffentlichen Raum geschieht, wird es so gut wie gar keinen praktischen Unterschied machen, auch dann nicht, wenn man so einen Vorfall tatsächlich anzeigt


    Das behauptet die Gegenposition einfach mal, eine rationale Begründung für diese Vorstellung gibt es nicht.
    Gerade in einer Diskothek oder in einem Zug besteht durchaus die Möglichkeit das Personal zu bitten die Personalien aufzunehmen. Die meisten Verkehrsmittel und viele öffentliche Plätze sind mittlerweile videoüberwacht und gerade bei Wiederholungstätern kann eine Identifikation durchaus möglich sein.
    Zudem ist das vom rein rechtlichen Standpunkt aus pures Geschwurbsel. Die Aufklärungsrate bei Fahrraddiebstählen beträgt 10% und dennoch ist niemand daran gehindert Anzeige zu erstatten. Die Strafbarkeit richtet sich nie nach der potentiellen Aufklärungsquote.


    Zitat

    In den Bereichen, wo zumal unter Alkoholeinfluss üblicherweise geflirtet und mitunter auch gegrabscht wird (Clubs, Bars etc) ist der Tatbestand so niedrigschwellig (..), dass er in der Praxis ignoriert werden wird.


    Das ist vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen erst recht Geschwurbsel.
    Die Praxis versucht härtere Fälle derzeit in Nötigung unterzubringen wo keine ist und behandelt die leichteren als Beleidigung von keine ist. Dass bezüglich der Überraschungsangriffe eine Regelungslücke besteht ist Konsens. Bereits jetzt vorwegzunehmen, dass die Praxis eine neu zu schaffende Vorschrift ignorieren könnte entbehrt erstens jeder Grundlage und ist zweitens bei der Normierung so relevant wie "Leute werden zu schnell fahren, lieber keine Geschwindigkeitsbegrenzung." Eine rechtliche Normierung ist kein Teeblätterlesen der Praxis.


    Zitat

    Da, wo er überhaupt Relevanz entfalten kann - Beziehungen bzw. verflossene Beziehungen


    Nein, da entfaltet er wie ausführlich geschildert keinerlei Relevanz.


    Zitat

    Und tatsächlich besteht die Gefahr, an und für sich recht harmloses Verhalten zu kriminalisieren. Es ist, zumal in der Anfangsphase von Beziehungen, eben nicht immer eindeutig, was der oder die jeweils andere will.


    Ich habe nicht den Eindruck, dass du die vorhergehenden Beiträge überhaupt gelesen hast.
    Wie bereits dargelegt, muss sowohl der Tatbestand der sexuell bestimmten körperlichen Berührung als auch der der daraus kausal folgenden Belästigung objektiv - also für einen Dritten nachvollziehbar - erfüllt sein. Die Voraussetzungen werden bei einem Partner andere sein als bei einem ersten Date als bei einem völlig Unbekannten.
    Die Rechtspraxis hat bei vorhandenem Recht bereits in ähnlicher Weise auszulegen gehabt, wie man beispielsweise den völlig zentralen Begriff "sexuelle Handlung" überhaupt definiert. Dahinter steckt keinerlei Magie.


    Zitat

    Das sind Kanonen auf Spatzen. Das Strafrecht ist für die unendlichen Feinheiten von Beziehungsanbahnung unterhalb einer gewissen Schwelle einfach nicht wirklich geeignet und öffnet in der konkreten Planung Tür und Tor für "Missbrauch".


    In Ordnung. Du hast die vorherigen Beiträge also überhaupt nicht gelesen, sondern scheinst einfach Artikelabschnitte zu kopieren die dir passend erscheinen.


    Also kopiert für dich:


    Zitat

    Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass sich das Aufnehmen einer einzelnen Erdnuss aus einer fremden Schale ebenfalls im Bagatellbereich bewegt und dennoch strafrechtlich verfolgt werden kann. Noch eindeutiger im Bereich der Beleidigung in dem ein hingemurmeltes "Kuh" allenfalls eine kurzzeitiges Gefühl der Herabwürdigung (!) bedeutet und dennoch strafrechtlich relevant ist.
    Das Bagatellargument zieht folglich in keiner Weise.

    I have been despised by better men than you.

    Einmal editiert, zuletzt von Maegwin ()

  • Man muss den Beteiligten versuchen nachsehen, dass sie versuchen sich nach ihrem persönlichen Erfahrungsschatz richten.

    und da liegt natürlich mit die/eine krux, dass männlich sozialisierte Menschen oft in einer ganz anderen Weltwahrnehmung leben (was natürlich keinen sexismus jeglicher Art auch nur irgendwie verharmlosen soll), wenn sie nicht z.B. durch persönliche Erfahrungsberichte (oder solche wie im Aufschrei vor ein paar Jahren öffentlich dokumentiert) sensibilisiert werden.


    Es ist, zumal in der Anfangsphase von Beziehungen, eben nicht immer eindeutig, was der oder die jeweils andere will.

    Ich würde mal behaupten, mensch kann im Zweifelsfall nicht oft genug nachfragen. Jede Situation ist eine neue. Auch unter guten Freunden kann es ja schon immer situativ total verschieden sein wie mensch aufeinander zu- und umgeht.

  • Zitat

    und da liegt natürlich mit die/eine krux, dass männlich sozialisierte Menschen oft in einer ganz anderen Weltwahrnehmung leben (was natürlich keinen sexismus jeglicher Art auch nur irgendwie verharmlosen soll), wenn sie nicht z.B. durch persönliche Erfahrungsberichte (oder solche wie im Aufschrei vor ein paar Jahren öffentlich dokumentiert) sensibilisiert werden.


    Das finde ich im Grundsatz relativ natürlich und nicht so schlimm, wobei ich mein persönliches Umfeld da interessiert und aufgeschlossen erlebt habe. Meistens kann man die Grundzüge über ein paar Eselsbrücken ja doch zwischengeschlechtlich vermitteln, zumindest habe ich da gute Erfahrungen gemacht.


    Unangenehm ist natürlich, wenn sie jemand an einem Austausch scheinbar beteiligen möchte aber wie Arrakir soeben ohne sich mit der Gegenseite auch nur befasst zu haben automatisch seine Dogmen runterspult.

    I have been despised by better men than you.

  • Also kopiert für dich:


    Danke, du bist gut zu mir.


    Der Unterschied zwischen Bagatelldiebstählen und der niedrigschwelligen sexuellen Belästigung (die nicht immer ex ante eine Belästigung ist, sondern kontextsensitiv) ist eigentlich zu offensichtlich, als dass ich darauf hätte eingehen wollen.


    Die Wegnahme einer fremden Sache ist immer theoretisch strafbar. Das sexuell bestimmte Berühren anderer bis dato nicht. Das soll sich nun ändern und wird, da es in der Lebenswirklichkeit auch nicht ausnahmslos negativ konnotiert ist (und zwar zu Recht, siehe mein Beispiel), Probleme verursachen. Die eigentliche Krux ist hier die Bewertung. Die einen sagen, dass das sein muss, um besseren Schutz zu gewährleisten, wobei sie die potentiellen Gefahren auszuklammern belieben, die es bei Diebstählen einfach so nicht gibt, die anderen, dass es keine Lösung ist. Wobei die in der Tat oft ausklammern, dass es tatsächlich ja irgendwie Schutzbedarf gibt. Nur macht es eben einen Unterschied, ob man jemandes Schulter berührt, oder ob man jemandem an den Hintern grabscht. Der Kontext macht einen Unterschied. Die Situation. Letztlich läuft es ja auf die Frage hinaus: Was ist Unrecht? Und da ist es m.E. falsch zu sagen, das "belästigende" sexuell bestimmte Berühren sei das immer und ohne denkbare Ausnahme.


    Ich bin im Übrigen nicht prinzipiell gegen eine solche Vorschrift. In der geplanten Fassung allerdings halte ich sie für nicht praxistauglich und für potentiell gefährlich. Nicht einmal so sehr wegen des "Grabsch"-Tatbestands (der allerdings ein Antragsdelikt sein sollte und vielleicht versuchen sollte, ganz niedrigschwellige Tathandlungen auszuschließen, was aber schwierig ist), sondern vor allem wegen dem Wirrwarr, den der neue §177 verursachen wird. Und auf dessen Problematik du nicht eingehst.


    Wie dem auch sei. Ich bin in dieser Angelegenheit eigentlich ziemlich frustbefreit und weiß auch nicht so recht, wo du das hineinliest. Frustrieren tut mich nur, dass man praktisch sofort persönlich angegangen wird, egal in welche Richtung man sich äußert. Dass die Debatte emotional geführt wird, ist ja völlig verständlich. Aber irgendwie... die prominenteren Protagonisten der Gegenposition (auf die ich mich beziehe) sind mitunter ganz sicher polemisch (genau wie die Gegenseite), aber es sind keine Deppen, die von ihrem Fach einfach null Ahnung haben. Wenn beispielsweise ein Herr Fischer mit Jahren strafrechtlicher Praxis davor warnt, dass solche Tatbestände in "Rosenkriegen" Relevanz entfalten werden, dann würde ich das ernst nehmen. Du bügelst das m.M.n. ein bisschen arg forsch ab. Naja, was soll's. Da ich kein Prophet bin, kann es natürlich auch vollumfänglich Gutes bewirken. Ich bezweifle das.


    Edit:


    Unangenehm ist natürlich, wenn sie jemand an einem Austausch scheinbar beteiligen möchte aber wie Arrakir soeben ohne sich mit der Gegenseite auch nur befasst zu haben automatisch seine Dogmen runterspult.


    ... Ernsthaft? :wacko:


    Na, mach du mal.

  • Zitat

    Du bügelst das m.M.n. ein bisschen arg forsch ab.


    Was auch mit dem Umstand zu tun hat, dass es ganz ähnlcihe Argumentationen bei der EInführung der Strafbarkeit für Vergewaltigung in der Ehe gab, diese Argumentation schon damals arg kritisiert wurde und letztlich nichts von dem Befürchtetem eintrat.


    Mal ganz abgesehen davon ist es meiner Ansicht nach so, dass diejenigen, die ernsthaft glauben ihr Flirten könnte als sexuelle Belästigung eingeordnet werden, ganz offenkundig so schlecht darin sind, dass sie es auch gleich bleiben lassen sollten.

    Dieser Beitrag wurde bereits 12 mal editiert, zuletzt von „Kasimir“ (Heute, 17:14)

  • Zitat

    Der Unterschied zwischen Bagatelldiebstählen und der niedrigschwelligen sexuellen Belästigung (die nicht immer ex ante eine Belästigung ist, sondern kontextsensitiv) ist eigentlich zu offensichtlich, als dass ich darauf hätte eingehen wollen.


    Das bin ich tatsächlich, denn im Absatz war nicht umsonst die ebenso kontextsensitive Beleidigung enthalten. Ich habe beides angeführt um zu verdeutlichen, dass weder ein sehr geringer Sachwert, noch ein mutmaßlich geringer psychischer Nachteil wie eine kurzzeitige Herabsetzung der Würde, noch die offensichtliche Schwierigkeit dabei objektiv festzustellen wer sich wann wovon beleidigt führen könnte in Parallelfällen Strafbewährung verhindert haben. Es gibt keinen Grund sexuelle Übergriffe geringer zu werten oder vor einer vermeintlichen Undefinierbarkeit zu kapitulieren.


    Zitat

    Das sexuell bestimmte Berühren anderer bis dato nicht. Das soll sich nun ändern


    Nein, das sexuell bestimmte Berühren anderer wird auch künftig nicht strafbar sein. Strafbar ist es nur im Kausalzusammenhang zur sexuellen Belästigung. Ebenso ist das asexuelle Berühren derzeit nicht strafbar. Strafbar ist es als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Anderen.


    Zitat

    Nur macht es eben einen Unterschied, ob man jemandes Schulter berührt, oder ob man jemandem an den Hintern grabscht. Der Kontext macht einen Unterschied. Die Situation.



    Selbstverständlich macht das einen Unterschied.
    Allerdings keinen, der das menschliche Gehirn zum explodieren bringen würde, irgendein Novum für die Rechtspraxis darstellen oder sich jeder objektiven Beurteilung entziehen würde. Diese Unterscheidung wird bereits tagtäglich in unterschiedlichster Weise im verbalen Bereich getroffen. Trotz eines wechselnden Kontext wird niemand annehmen, dass es sich beim Hinüberbrüllen über die Straßenseite eines " Komm her du geile V*****" um einen regulären, ernsthaften Versuch einer Beziehungsanbahnung oder um ein Kompliment gehandelt hat.
    Die gleichen Feststellungen sind nunmehr im nonverbalen Kontext zu treffen.


    Zitat

    Und da ist es m.E. falsch zu sagen, das "belästigende" sexuell bestimmte Berühren sei das immer und ohne denkbare Ausnahme.


    Die Belästigung ist doch bereits aufgesplittet.
    Einmal muss sich der Betroffene überhaupt belästigt fühlen. Zweitens muss die Handlung objektiv betrachtet geeignet sein um jemandem im jeweiligen Kontext überhaupt zu belästigen - also auch für den Täter objektiv als solches erkennbar (wenn auch subjektiv nicht zwangsweise eingesehen).
    Ich kann gut nachvollziehen, dass es sich beim Timing der "ersten Schritte" für Männer ohnehin um eine psychologisch schwierige Situation handelt mit der sie traditionsgemäß nach wie vor belastet sind - vielleicht deshalb auch einige Überreaktionen zur Thematik.
    Allerdings ist das vorliegend wirklich nichts, bei dessen rationaler Bewertung ein psychisch gesunder Mensch überfordert wäre.


    Zitat

    Nicht einmal so sehr wegen des "Grabsch"-Tatbestands (der allerdings ein Antragsdelikt sein sollte und vielleicht versuchen sollte, ganz niedrigschwellige Tathandlungen auszuschließen, was aber schwierig ist), sondern vor allem wegen dem Wirrwarr, den der neue §177 verursachen wird. Und auf dessen Problematik du nicht eingehst.


    Zitat

    Wie dem auch sei. Ich bin in dieser Angelegenheit eigentlich ziemlich frustbefreit und weiß auch nicht so recht, wo du das hineinliest.


    Das lese ich unter anderem daraus hervor, dass ich bereits zwei mal angemerkt habe, dass ich aus Zeitgründen der Reihe nach zuerst die leichten und dann die schweren Delike abhandeln möchte und entsprechend noch auf gar nichts außer dem §184i StGB eingegangen bin. :huh:
    Entsprechend leite ich - wie auch beim vorherigen Beitrag deinerseits geringes Interesse am Inhalt der bisherigen Diskussionsbeiträge ab.


    Zitat

    ... Ernsthaft?


    Aus den obigen Gründen.

    I have been despised by better men than you.

  • @ Maegwin


    Letztlich liegen wir inhaltlich nicht einmal so weit auseinander, glaube ich. Wir sind beide der Ansicht, dass nicht jede sexuell bestimmte Berührung eine Belästigung ist, und scheinbar sind wir auch beide der Ansicht, dass es da diverse Grauzonen geben kann, Missverständnisse etc. Wenn ich dich recht verstehe, meinst du, dass die Gerichte die Schwelle dessen, was unter welchen Umständen "Belästigung" ist, nach und nach definieren werden. Demgegenüber bin ich der Ansicht, dass das schon wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes keine gute Idee ist und daher der Gesetzgeber sorgfältiger zu Werke gehen muss. Darüber hinaus ist der Begriff der Belästigung notgedrungen sehr viel stärker subjektiv gefärbt, als es "Wegnahme" oder "fremde Sache" jemals sein könnte. Derselben Meinung bin ich übrigens auch hinsichtlich der praktischen Handhabung des Beleidigungstatbestands, wo man selbst als Jurist kaum wissen kann, welche Äußerung gegenüber wem unter welchen Umständen eine (strafbare) Beleidigung darstellt. Jüngstes Beispiel ist da die Wertung, es sei keine Beleidigung, Berufsgruppen zu beleidigen, wenn man nicht spezifisch bestimmte Personen anspricht. Die Schwierigkeiten liegen da aber auch in der Natur des Gegenstands. Die persönliche Ehre ist ein arg schwammiges Konzept.
    Meine "Abneigung" gegen diese konkrete Reform speist sich auch aus meiner Überzeugung, dass das Strafrecht lediglich die ultima ratio sein sollte und nicht als gesellschaftspolitisches Werkzeug taugt. Ich erkenne aber an, dass andere das anders sehen und verstehe insbesondere im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung die Gründe.


    Das lese ich unter anderem daraus hervor, dass ich bereits zwei mal angemerkt habe, dass ich aus Zeitgründen der Reihe nach zuerst die leichten und dann die schweren Delike abhandeln möchte und entsprechend noch auf gar nichts außer dem §184i StGB eingegangen bin.


    Das hatte ich zur Kenntnis genommen, war aber der Ansicht, das sei gestern gewesen. Ist ja auch völlig egal. Peace. :)


    @ Kasimir


    Grundsätzlich völlig einverstanden. Einwenden möchte ich nur, dass es zwischen "Flirten" und "Belästigung" diverse Zwischenstufen geben kann, die nicht so eindeutig zuzuordnen sind. Es ist ja einerseits sicher richtig, dass viele der Gegner der Reform von ihrem eigenen Erleben auf die Allgemeinheit schließen. Andersrum ist das ja aber auch der Fall. Ich bin schlichtweg geneigt, der langen Erfahrung eines Praktikers zu glauben, der Einblicke in Lebenswelten und Umstände erhält, die der meinen vollkommen fremd sind. Das beiderseits (grundsätzlich) akzeptierte Vorgehen auf einem Schützenfest in Hintertupfingen ist sicher ein anderes, als das in einer Berliner Hipster-Bar. Und die Lebenswelt bzw. die Erwartungen eines/r 20-jährigen Partyhengstes/stute sind von meiner sehr weit entfernt.


    Edit:


    Um noch ein tatsächlich völlig subjektives Erleben zu schildern... Auf einem LARP-Event saßen wir vor dem Spiel noch quatschend rum. Das Mädel, bei dem wir übernachteten, legte von hinten ihre Arme um mich und strich mir über die Brust, ließ die Hände dort ein paar Sekunden ruhen. Ich empfand das durchaus als unangenehm, und ich denke, es ist nicht abstrus, hier "objektiv" eine Belästigung festzustellen. Reagiert habe ich allerdings einfach gar nicht, und kurz darauf waren die Hände auch wieder da, wo sie hingehören und alles war gut. Trotz der Unannehmlichkeit fand ich die Angelegenheit nicht schlimm, sondern im Gegenteil ganz hilfreich. Ich wusste, woran ich war, sie wusste, woran sie war. Eine Klärung, die man in dieser Situation (wenig Zeit OT, insgesamt nur ein Abend, es war schlicht ein kurzes Abchecken des Möglichen) verbal kaum hätte zustande bringen können. Das ist natürlich keine Handlungsanleitung für irgendwen, und verallgemeinerbar ist das auch sowieso nicht. Aber es zeigt doch, wie vielfältig solche Situationen und das jeweilige Empfinden sein können. Theoretisch wäre ihr Verhalten wohl strafbar - und die Strafverfolgung nicht von mir abhängig, denn theoretisch hätte jeder Anwesende Anzeige erstatten können. Zum Beispiel ihr ebenfalls anwesender Ex.

    Einmal editiert, zuletzt von Arrakir ()

  • Maegwin: ja, habe halt das Gefühl das vielen (insbes. männlich sozialisierten) schon allein ein Gefühl für die Dimension, die alltäglichkeit des sexismus und dessen Wirkung fehlt (mal abgesehen von denen die es bewusst ausblenden oder dem was sich mit hate/ rape speech menschenverachtendes im Internet immer mehr breit zu machen scheint), so das es schon dadurch problematisch werden kann oder zu wahrnehmungen führen die letztlich kein Vergleich zur Situation der tagtäglich Betroffenen sind.
    Aber eigentlich habe dem was du alles geschrieben hast gerade auch nichts mehr hinzuzufügen.


    speist sich auch aus meiner Überzeugung, dass das Strafrecht lediglich die ultima ratio sein sollte und nicht als gesellschaftspolitisches Werkzeug taugt. Ich erkenne aber an, dass andere das anders sehen und verstehe insbesondere im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung die Gründe.

    das wäre ja eine generell andere Diskussion- der Sinn oder Unsinn unseres Strafrechts bzw. Verständnis von Strafe. Aber in der real existierenden Gesellschaft ist es denke ich höchste Zeit, das Betroffene da wenigstens ein klein bißchen weniger Hilflos sind - auch wenn natürlich ein grundsätzliches Umdenken, Sensibilisierung für ein für alle angenehmes Zusammenleben unentbehrlich und nicht mit Gesetzen zu erreichen ist.

  • Zitat

    Letztlich liegen wir inhaltlich nicht einmal so weit auseinander, glaube ich. Wir sind beide der Ansicht, dass nicht jede sexuell bestimmte Berührung eine Belästigung ist,


    Huch. :D
    Das stand doch aber hoffentlich nie zur Debatte.


    Wie zum Vergleich erwähnt kennt das StGB ja längst strafbare Berührungen schon längst im Rahmen der körperlichen Misshandlung ergo Körperverletzung. Das erscheint auf den ersten Blick zwar weniger matschig als unsere belästigende Berührung, tatsächlich kann sich der Laie unter einer "üblen, unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt" ziemlich viel und ziemlich wenig vorstellen.
    Welcher objektive Maßstab soll "übel" und "unangemessen" oder "nicht unerheblich" denn sein - geschweige denn die subjektive Wahrnehmung der jeweiligen Parteien davon. :)
    Nicht anders ist es bei unserer neuen Bestimmung. Eine Menge der einschlägigen Inhalte kann sich der Uneingeweihte schon anhand der Formulierung völlig korrekt vorstellen und erschließen, und ja, gewisse Graubereiche und die Ausarbeitung der Definition wird irgendwann die Rechtsprechung übernehmen müssen.
    Aber das ist wirklich bei ausnahmslos und absolut jeder rechtlichen interpretierungsfähigen Definition so.



    Zitat

    Meine "Abneigung" gegen diese konkrete Reform speist sich auch aus meiner Überzeugung, dass das Strafrecht lediglich die ultima ratio sein sollte und nicht als gesellschaftspolitisches Werkzeug taugt. Ich erkenne aber an, dass andere das anders sehen und verstehe insbesondere im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung die Gründe.


    Grundsätzlich könnte man praktisch auf jeden Straftatbestand mit dieser Argumentation aushebeln - in Abhängigkeit dessen welches Delikt man als schwerwiegend genug erachtet um die ultima ratio greifen zu lassen. Ich habe schon in einem der vorherigen Beiträge angesprochen, dass die Wahrnehmung bezüglich sexueller Delikte bei Frauen und Männern sowohl qualitativ als auch quantitativ und entsprechend in der empfundenen Intensität recht unterschiedlich ist. Ironischerweise machen gerade uns die vielen Annäherungen zwischen den Geschlechtern in dieser Hinsicht besonders betriebsblind und verständnislos gegenüber der Unfähigkeit sich dem anderen Geschlecht in der eigenen Wahrnehmung begreiflich zu machen und biologische Unterschiede zu akzeptieren.


    Zitat

    Das hatte ich zur Kenntnis genommen, war aber der Ansicht, das sei gestern gewesen. Ist ja auch völlig egal. Peace. :)


    Oki. Insbesondere da ich heute wohl genauso wenig dazu komme. :)


    Zitat

    Um noch ein tatsächlich völlig subjektives Erleben zu schildern... Auf einem LARP-Event saßen wir vor dem Spiel noch quatschend rum. Das Mädel, bei dem wir übernachteten, legte von hinten ihre Arme um mich und strich mir über die Brust, ließ die Hände dort ein paar Sekunden ruhen. Ich empfand das durchaus als unangenehm, und ich denke, es ist nicht abstrus, hier "objektiv" eine Belästigung festzustellen. Reagiert habe ich allerdings einfach gar nicht, und kurz darauf waren die Hände auch wieder da, wo sie hingehören und alles war gut. Trotz der Unannehmlichkeit fand ich die Angelegenheit nicht schlimm, sondern im Gegenteil ganz hilfreich.


    Erst einmal zum rechtlichen:


    1. Ich habe mir den Entwurf angesehen - §184i StGB wird völlig zu Recht ein Antragsdelikt.
    2. Strafbarkeit wäre ohnehin nicht gegeben, da eine Belästigung zwar objektiv voraussichtlich gegeben wäre, aber offenbar keine subjektive aus deiner Sicht. Ende. Alles gut.


    Zum subjektiven:


    Wie oben und in den vorherigen Beiträgen angesprochen empfinden Frauen in solchen Situationen evolutionsbedingt im Schnitt ein bisschen anders. Sich zu reproduzieren ist für das gewichtsunzufriedene Geschlecht zeitlich sehr aufwendig, historisch bedingt mit einem hohen Lebensrisiko und zeitweise einer hohen Abhängigkeit vom (regelmäßig) Kindesvater verbunden. Entsprechend kreischen die Alarmglocken bei einem aufdringlichen unerwünschten Sexualpartner - der zudem im Zweifel regulär in der Lage wäre sich körperlich durchzusetzen - deutlich schriller. Folglich der arme Hugo-der-LKW-Fahrer den ich männlichen Gesprächspartner als Platzhalter statt einer Frau in solchen Beispielen einzusetzen empfehle - in Umfragen hat sich in solchen Fällen durchschnittlich einfach eine bessere Vergleichbarkeit des Grades der Unannehmlichkeit ergeben.


    Zitat

    Ich bin schlichtweg geneigt, der langen Erfahrung eines Praktikers zu glauben, der Einblicke in Lebenswelten und Umstände erhält, die der meinen vollkommen fremd sind.


    Ich möchte schon anmerken, dass es sich um die Erfahrung eines recht kontroversen wenn auch sehr lauten Praktikers handelt, der sich zunehmend weiter isoliert.

    Zitat

    Maegwin: ja, habe halt das Gefühl das vielen (insbes. männlich sozialisierten) schon allein ein Gefühl für die Dimension, die alltäglichkeit des sexismus und dessen Wirkung fehlt (mal abgesehen von denen die es bewusst ausblenden oder dem was sich mit hate/ rape speech menschenverachtendes im Internet immer mehr breit zu machen scheint), so das es schon dadurch problematisch werden kann oder zu wahrnehmungen führen die letztlich kein Vergleich zur Situation der tagtäglich Betroffenen sind.


    Natürlich, ja. Allerdings kann man dabei nur schwer von Eigenverschulden sprechen.
    Erstens handelt es sich dabei bei Frau immer noch um einen Einzugsbereich der Intimität der der Allgemeinheit nur bedingt mitgeteilt werden will, andererseits natürlich immer die Sorge um die eigene Glaubwürdigkeit. Sexuelle Übergriffe werden ja fälschlicherweise -insbesondere im Schwerstbereich- selbst von Frauen nach wie vor bewusst oder unbewusst der Attraktivität des Opfers zugeordnet. Das macht es Ottilie Normalfrau (besondere Merkmale: keine) natürlich besonders schwer mit ohnehin großer Überwindung ihre Probleme anzusprechen. Dabei wäre die für ihre Ottos Normalbekannten aber nun mal die glaubwürdigere Quelle als ein vorsichtig ausgedrückt "aufgeregt wirkender", ferner Opferverband.

    I have been despised by better men than you.

    2 Mal editiert, zuletzt von Maegwin ()


  • Um noch ein tatsächlich völlig subjektives Erleben zu schildern... Auf einem LARP-Event saßen wir vor dem Spiel noch quatschend rum. Das Mädel, bei dem wir übernachteten, legte von hinten ihre Arme um mich und strich mir über die Brust, ließ die Hände dort ein paar Sekunden ruhen. Ich empfand das durchaus als unangenehm, und ich denke, es ist nicht abstrus, hier "objektiv" eine Belästigung festzustellen. Reagiert habe ich allerdings einfach gar nicht, und kurz darauf waren die Hände auch wieder da, wo sie hingehören und alles war gut. Trotz der Unannehmlichkeit fand ich die Angelegenheit nicht schlimm, sondern im Gegenteil ganz hilfreich. Ich wusste, woran ich war, sie wusste, woran sie war. Eine Klärung, die man in dieser Situation (wenig Zeit OT, insgesamt nur ein Abend, es war schlicht ein kurzes Abchecken des Möglichen) verbal kaum hätte zustande bringen können. Das ist natürlich keine Handlungsanleitung für irgendwen, und verallgemeinerbar ist das auch sowieso nicht. Aber es zeigt doch, wie vielfältig solche Situationen und das jeweilige Empfinden sein können. Theoretisch wäre ihr Verhalten wohl strafbar - und die Strafverfolgung nicht von mir abhängig, denn theoretisch hätte jeder Anwesende Anzeige erstatten können. Zum Beispiel ihr ebenfalls anwesender Ex.


    Ich möchte mich in eure Diskussion eigentlich gar nicht allzu viel einmischen, ich möchte allerdings zu bedenken geben, dass solche Situationen ganz anders aussehen, sobald man die Geschlechter umdreht. Stell dir bitte mal vor, ein Mann würde das bei einer Frau machen. Also sie einfach von hinten umschlingen, ihr über die Brust streicheln, die Hände dort einige Sekunden verweilen lassen. Es gäbe einen Aufschrei, was dieses perverse Schwein sich überhaupt einbildet, ein wehrloses Mädel, dass nie ein Interesse bekundet hat, anzugrapschen. Ich weiß, dass Männer oft so aufwachsen, dass sie jede Berührung des bevorzugten Geschlechts gleich anzuturnen hat und es nicht auf viel Verständnis in der Gesellschaft trifft, wenn ein Mann sich belästigt fühlt. Aber das ist in meinen Augen sexistisch und falsch. Im Fall der umgekehrten Geschlechter hätte das Mädel jedes Recht sich sexuell belästigt zu fühlen und müsste das (zum Glück!) auch überhaupt nicht begründen. Zumindest gegenüber den anderen Anwesenden. Wie es in diesem Fall dann strafrechtlich aussieht, kann ich nicht beurteilen, aufgrund der vorhandenen Zeugen wäre die Beweislage vermutlich nicht schwierig. Leider haben Männer in solchen Situationen noch viel weniger "Schutz" (nicht rechtlich, aber gesellschaftlich), da sie sich im Notfall ja "wehren" könnten. Dass man als Mann halt einer grapschenden Tussi nicht einfach mal eine Ohrfeige gibt, was in gewissen schlimmeren Fällen im umgekehrten Fall durchaus "akzeptabel" ist.
    Sorry, das ergibt gerade nicht so wahnsinnig viel Sinn, aber ich finde es immer traurig, dass Männer zu glauben scheinen, dass sie das gut finden müssen, wenn sie angegrapscht werden und eigentlich noch weniger Möglichkeiten haben, sich zu wehren.


    \rant


    Edit: ich behaupte mal aus meinem Bekanntenkreis, dass der Fall Mann-grapscht-Frau deutlich häufiger vorkommt als umgekehrt, finde es aber trotzdem schlimm

  • Arrakir und ich sind einheitlich und unproblematisch zu dem Schluss gekommen, dass es sich in diesem Fall objektiv um Belästigung gehandelt hat und er sich in keinem Sinne davon angeturnt fühlen muss.
    Ich verstehe entsprechend nicht ganz, worauf sich dein Einwurf bezieht.


    Dennoch bitte ich zu bedenken, dass es sich bei weiblichen Brüsten im Gegensatz zu männlichen um ein sekundäres Geschlechtsmerkmal handelt und eine 1:1 Umkehr in diesem konkreten Fall nicht möglich ist. Bei Bauch, Hals, Gesicht, Po und ähnlichem gibt es hingegen natürlich keine Unterscheidung.


    Zitat

    Dass man als Mann halt einer grapschenden Tussi nicht einfach mal eine Ohrfeige gibt, was in gewissen schlimmeren Fällen im umgekehrten Fall durchaus "akzeptabel" ist.


    Nein, dafür droht dir schlimmstenfalls eine Anzeige wegen Körperverletzung.

    I have been despised by better men than you.

    2 Mal editiert, zuletzt von Maegwin ()

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!