Sein Team hat es heute wohl bestätigt. Einer der mutigsten Männer Russlands hat uns verlassen.
R. i. P. Alexey!
Sein Team hat es heute wohl bestätigt. Einer der mutigsten Männer Russlands hat uns verlassen.
R. i. P. Alexey!
R. I. P. Die Nachricht hat mich erschüttert.
Und jetzt werden die tapferen Russen, die ihn öffentlich betrauern, auch verhaftet!
Oh, hier ist man mit dem Messias sogar per du.
Einer der fähigsten Selbstdarsteller Russlands war Nawalny sicher, wenn er es erreicht hat, im Westen zum Helden der liberalen Opposition verklärt zu werden. Er hat fast im Alleingang geschafft, die Illusion einer normalen russischen Gesellschaft zu erschaffen, die man nur von Putin befreien muss damit sie in Frieden und Freude mit ihren Nachbarn zusammenlebt und das, während er, der erfolgreichste Oppositionelle, die russischen Kriege entweder nur halbherzig verurteilte oder lautstark unterstützte (Je nach dem, wie slawisch der Feind war, versteht sich).
Wobei im Falle von Deutschland das nicht mal seine eigene Leistung war. Hierzulande scheint seit dem 24.2.2022 die Befreiung der Russen von jeglicher Verantwortung sowieso eine größere Herzensangelegenheit zu sein als die Rettung der Ukraine. Da man sich in Deutschland also eher mit dem stillen Beihelfer zum Genozid identifiziert als mit dem Opfer, geht dieser Punkt nicht an unseren Märtyrer.
Bei aller gerechten Empörung, die die Ermordung eines Oppositionellen hervorruft und der Tragik, dass einer Familie der Ehemann und Vater geraubt wurde, muss der Westen endlich etwas merken: unter Orks mag es Machtkämpfe geben, aber keine Opposition zum russischen Imperialismus. Es gibt nur eine Opposition gegen Putin, die die Ukraine retten kann und sie nennt sich Streitkräfte der Ukraine.
Ich wäre nicht so polemisch wegen der Überhöhung dieses ungerecht ermordeten und zugegebenerweise mutigen Mannes, wenn mich nicht die Angst gepackt hätte, als die Reaktion der europäischen Öffentlichkeit auf den Tod Nawalnys deutlich wurde. Ich komme nicht drumherum an Gorbatschow zu denken. Wie die deutsche Einheit mit dem Blut der Litauer, Aseris und Georgier bezahlt wurde, wie dieses Monster mit einem Friedensnobelpreis nach Hause ging, nach dem er für die Erhaltung seines Imperiums Teenager abgeschlachtet hatte, wie Genscher Gorbatschow für die deutsche Sache zu gewinnen suchte, in dem er alle kommenden Generationen der Ostblockländer mit seinem Osterweiterungsalleingang verfluchte, kurzum wie ein russischer Diktator nur den Interessen der Westler nachkommen musste, um eine Einflusssphäre zugesprochen zu bekommen, in dem er frei morden und unterdrücken konnte.
Als Russland in der Ukraine das Morden zu derartigen Dimensionen führte, dass selbst Deutschland nicht mehr wegschauen konnte, wurde viel von Zeitenwende und einem neuen Kurs gegenüber Russland geredet. Gleichzeitig mehrte sich die positive Berichterstattung über eine russische Oppositionsfigur, der mit Hetze gegenüber Kaukasiern Karriere machte, im Russisch-Georgischen Krieg 2008 Georgier als Nagetiere beschrieb, die bombardiert werden müssten und 2014 rhetorische Kunstfiguren vollführte, um nicht die Notwendigkeit der Rückgabe Krims an die Ukraine auszudrücken. Das schien alles irrelevant zu sein, sobald Nawalny als nützlich für westliche Interessen wahrgenommen wurde. Und nun, wo er gestorben ist, trauert Deutschland wie schon beim Tod Gorbatschows um einen Russen, der von der russischen Vormachtstellung über dessen Nachbarn träumte, aber schlau genug war, nur die Interessen der Nationen mit den Füßen zu treten, die auf den Mental Maps der Deutschen im besten Fall weiße Flecken, im schlimmsten Fall Teile Russlands darstellen.
Ich habe nicht geglaubt, dass sich etwas an der deutsch-russischen Freundschaft geändert hat, aber diese unzerstörbare Verbindung in Aktion zu sehen, ist dadurch nicht weniger beängstigend. Besonders nicht, wenn währenddessen die Ukrainer Awdijiwka aufgeben müssen, in den USA Trump auf dem Vormarsch ist und die blau-braune Kacke hier bei uns schon das ganze Land mit ihrem Gestank erfüllt hat. Die Ukraine braucht vernünftige Europäer, die nicht in die russischen Fallen tappen, dringender denn je. Verzeiht mir die Überspitzungen.
Ruhm den Helden und soll Herr Nawalny in Frieden ruhen.
Ein böser Rant, der sicherlich einige schmerzhafte Punkte benennt. Nawalny war natürlich kein Messias. Was seine politischen Überzeugungen anbelangt, ist zumindest für mich nicht ganz einfach, solche zu erkennen, so oft wie er Dinge gesagt und später wieder relativiert hat. Er hat offenbar versucht, sowohl das nationale als auch das liberale Lager gegen Putin in Stellung zu bringen. Und ich glaube auch nicht, dass er unbedingt ein geeigneter Präsident gewesen wäre. Das war für mich aber auch nicht seine Rolle.
Der Vorteil einer funktionierenden Demokratie ist in meinen Augen, dass allzu exzessive Vorgänge in die eine oder in die andere Richtung oftmals abgestraft und deshalb von Politikern eher vermieden werden. Demokratie hat insofern eine mäßigende Wirkung Im Vergleich zu autoritären Regierungen, die kaum noch Konsequenzen zu befürchten haben. Ich glaube Popper hat einmal das Mindestkriterium an eine Demokratie angelegt, demnach es zumindest noch möglich sein muss, eine Regierung wieder abzuwählen. Und genau das war der Punkt, an dem Nawalny angesetzt hat, indem er beispielsweise bei Regionalwahlen die aussichtsreichsten Gegenkandidaten zu Putins Leuten unterstützt hat. Diese Gegenkandidaten waren mit Sicherheit nicht immer die mit den tollsten Inhalten, teilweise waren sie womöglich auch Teil einer Scheinopposition. Auf Dauer aber hätten solche Wahlniederlagen Putins Macht geschadet, allein schon weil sie ganz grundsätzliche demokratische Elemente gestärkt hätten. Putin selber scheint das nicht anders gesehen zu haben. Von den ständigen Veröffentlichungen von Korruption und deren Folgen einmal ganz abgesehen. Wäre Nawalny an die Macht gekommen, hätte er sich natürlich auch als kriegstreibender Despot erweisen können, wer weiß das schon. Ihm das zu unterstellen, würde ich aber nicht für fair halten (ebenso wenig den Vergleich mit Gorbatschow). Ob der Mann ein Held war, muss jeder für sich selber entscheiden, seine Bemühungen gegen dieses Regime unter Einsatz seines Lebens sind für mich jedenfalls heldenhaft.
Ich verstehe aber deinen grundsätzlichen Punkt. Millionen von kritischen Russen sind die letzten Jahrzehnte ausgewandert, in dem Land gibt es keine funktionierende politische oder gesellschaftliche Opposition. Und wenn jemand hofft, dass Nawalnys Tod in irgendeiner Form ein Fanal sein könnte, dann ist das angesichts von ein paar Tausend russischen Demonstranten vielleicht menschlich, aber auch realitätsfern. So wie es während des Zweiten Weltkriegs keinen Aufstand der Deutschen gegen Hitler gab, wird es auch keinen Aufstand der Russen gegen Putin geben, sodass es einer Niederlage des russischen Imperialismus als solchen bedarf. Es führt insofern kein Weg an einem ukrainischen Sieg vorbei. Deutschland ist da sicherlich nicht allein, wenn es um Schwierigkeiten bei dieser Erkenntnis geht, von der Realisierung einmal ganz zu schweigen, aber bei uns gibt es tatsächlichen in verschiedenen politischen Lagern aus verschiedenen Gründen tief verwurzelte Ansichten und Fehlannahmen zu Russland. Der AfD gefällt das Antiliberale, in der CDU sieht man an manchen Stellen die vermeintlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten, dito in der SPD, die Linke erinnert sich entweder wehmütig an die Sowjetunion oder an die Friedensbewegung und das BSW ist zusätzlich noch einfach gegen Amerika. Unverdächtig sind für mich vor allem die Grünen und witzigerweise die FDP. Genscher gehört in meinen Augen zwar tatsächlich zu den am meisten überschätzten Politikern der deutschen Geschichte (allein, dass er sich selbst von Kohl nicht zurückpfeifen ließ, als dieser ihn aufforderte, gegenüber der Sowjetunion keine Zusicherungen hinsichtlich der Zukunft der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes zu machen), andererseits hat sich die FDP eh so ziemlich von allen Parteiwurzeln befreit. Ich habe schon den Eindruck, dass sich in Deutschland in den letzten zwei Jahren etwas im Verhältnis zu Russland geändert hat, es kostet nur ziemlich viel Zeit. Und das ist in der Tat etwas, was die Ukraine nicht hat.
Habe kürzlich dieses Gespräch zur (sogenannten) russischen Opposition gesehen und dabei an dich denken müssen. Manches ist mir zu polemisch und in einigen Punkten würde ich die Bewertungen auch nicht teilen, es führt aber in meinen Augen einige deiner Punkte gut aus und lässt dein Unbehagen zumindest für mich noch einmal nachvollziehbarer werden. Am interessantesten finde ich die Einschätzung, dass die heutigen Protagonisten der (sogenannten) Opposition im Grunde ironischerweise größtenteils ziemlich apolitisch sind und von Liebe und einem besseren Russland sprechen, ohne irgendeine Vision der Umsetzung zu haben, während sie sich zugleich nicht von der Denkweise des russischen Imperialismus distanzieren wollen oder können.
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