Erst mal freut es mich zu sehen, dass hier wieder Bewegung ist und diskutiert wird. ?
Nachfolgend mein Eindruck (hoffentlich nicht zu lang für einen Beitrag).
Eine richtig gute Einstiegsfolge. Bin sogar ziemlich überrascht wie gut sie mir gefallen hat (ich kann mich noch gut erinnern, wie enttäuscht ich damals von der ersten GoT Folge war).
Aus meiner Sicht beinhaltet sie gerade so viel Exposition wie nötig und so wenig wie möglich um auch diejenigen mit zu nehmen, die Fire & Blood nicht kennen.
Zu Beginn will ich meine Meinung zur Fehl-Besetzung von Rhaenyra nochmals revidieren. Als ich die Aussage gemacht habe, war ich mit dem Buch noch nicht so weit um zu wissen, dass sich ihr Aussehen mit fortschreitendem Alter ja doch scheinbar deutlich ändern wird (sie wird offenbar das Gewicht aus ihren Schwangerschaften nicht mehr los und scheint auch gezeichnet von ihren Verlusten) und habe ausserdem nicht überrissen, dass Sie (so wie auch Alicent) doppelt besetzt wurde. Unter diesem Aspekt finde ich Emma D’arcy als Wahl für die ältere Rhaenyra vom ersten Eindruck aus dem Trailer gar nicht mal so unpassend, wird sich zeigen. Milly Alcock gefällt mir in der Einstiegsfolge erstmal ganz wunderbar als junge Wonne des Reichs.
Generell zum Cast: grösstenteils passend, mit den üblichen Ungereimtheiten was die Altersdarstellung betrifft (gerade Alicent Hightower ist im Buch ja doch um einiges älter als Rhaenyra, aber ich verstehe warum sie's gemacht haben). Insgesamt das meisste verschmerzbar. Bei den Velaryons mit Dreadlocks habe ich mittlerweile das Gefühl, dass es nicht nur um Wokeness ging, sondern eher darum, nicht noch mehr weisse Darsteller mit langen "silberblonden" Haaren einzubauen, da man sich irgendwann echt schwer tut, die alle auseinander zu halten.
Am besten gefallen haben mir Rhaenyra und Alicent, die Blicke der beiden sprechen Bände. Ebenso wie Matt Smith der mich als Daemon voll überzeugt hat. Ich habe ihn im Buch als genau den arroganten, machtgeilen (aber seinem Bruder gegenüber dennoch loyalen und gehorsamen) Selbstdarsteller wahrgenommen, den er mimt. Die Aktion mit der Stadtwache fand ich gut um seinen Charakter und damit verbunden die Treue und Verbundenheit der Männer zu seiner Person zu etablieren (was ja später nochmal wichtig wird). Ausserdem wird im Buch ja auch beschrieben, dass Daemon die Stadtwache mit harter Hand geführt hat und bei Bestrafung von Verbrechen mit äusserster Brutalität vorging. Die Szene mag zunächst zwar etwas holzhammermässig wirken, aber im Nachgang fand ich es richtig und wichtig, dass man es so dargestellt hat, da Daemon am Ende der Folge ja schon aus Königsmund verbannt wird.
Alle anderen Darsteller waren solide bis gut. Rhaenys hatte bisher zwar nur sehr wenig Screentime, aber Eve Best hat auf jeden Fall Ausstrahlung und etwas anmutig kämpferisches, entschlossenes an sich.
Zum Production-Design/Kostüme/Setting/Aufmachung:
Finde ich durch die Bank gelungen, obwohl es für mich nicht so aussieht als wäre wirklich das gleiche Budget vorhanden gewesen, wie in der letzten Staffel GoT, dafür fand ich das CGI zu schwach. Aber Budget-Angaben sind zuweilen auch ziemlich wiedersprüchlich. Insgesamt würde ich sagen ist die Serie weitgehend konventionell abgefilmt, aber trotzdem deutlich über dem TV-Serien Niveau der ersten Staffeln GoT. Allerdings hat vor allem das Turnier zur Geburt des Erben annährend das Format, wie ich mir so etwas vorstelle und war ausserdem richtig toll inszeniert. Seit Ritter aus Leidenschaft gab es keine so coolen und dynamischen Einstellungen mit der Lanze zu Pferd mehr. Ich kann mich an einen Shot erinnern, bei dem die Kamera offensichtlich direkt auf der Lanze positioniert war. Sowas möchte ich sehen und das sind die Momente, die die Genialität von Sapochnik aufblitzen lassen, ebenso wie die Prallel-Montage zum Schluss.
Über die Brutalität kann man streiten, vielleicht war der ein oder andere Gore-shot etwas drüber, für mich wars ok, da das Turnier auch im Buch als blutig und brutal beschrieben wurde. Zudem erachte ich die Bilder hier nicht als Selbstzweck, sondern auch aus dramaturgischer Sicht für bedeutungsvoll, was der Dialog der Velaryons verdeutlicht (Ist es wirklich sinnvoll, die Geburt eines Erben so zu feiern? Die Ritter kennen nur den Frieden und keinen Krieg, sind voller Testosteron, wollen sich beweisen, Blutdurst etc...).
Zur Kaiserschnittszene kann ich nur sagen, dass ich sie nicht mochte und aus dramaturgischer Sicht unnötig fand. Wie unglaublich wichtig ein (männlicher) Erbe für den Thron ist wurde zuvor schon zur Genüge etabliert, sie einfach sterben zu lassen hätte gereicht, oder man hätte ihr zumindest das Einverständnis abringen können, den Versuch zu wagen. Man wollte damit vermutlich noch deutlicher machen, wie sehr auch ein König von den Mechanismen und Zwängen dieser feudalen Welt abhängig und unter Druck gesetzt ist, was ja grundsätzlich schon gut ist, aber für mich war es too much und der einzige Moment wo ich den Machern atestieren würde, dass man GoT-mässig schockieren wollte.
Die Inszenierung selbst fand ich jetzt nicht übermässig grausam, weil die Kamera meiner Erinnerung nach in den richtigen Momenten wegblendet (aber vielleicht habe ich auch einfach die Augen zugedrückt...?). Auch wenn ich davon insgesamt nicht begeistert war, muss ich die Parallel-Montage an der Stelle trotzdem positiv hervorheben, die die Geburt mit Daemons Turnierkampf gegen Kraut kombiniert, was ich mit Blick auf seine Thron-Ansprüche und die sich anbahnenden Konflikte zwischen den bisher bekannten Figuren in Form von Bildsprache relativ raffiniert umgesetzt fand. Das kann man im Gegenzug vermutlich zwar auch wieder zu holzhammermässig finden, aber hier ist halt auch zu berücksichtigen auf wie viele Folgen/Staffeln der gesamte Drachentanz ausgelegt ist. Generell ist relativ vieles "in your face", wie z.B. auch Otto Hightowers Intentionen, aber um die Intrigen und das Konfliktpotential subtiler aufzubauen, hätte man meiner Meinung nach einen früheren Einstiegspunkt wählen müssen.
Insgesamt finde ich, dass die meissten Aspekte die in Fire & Blood erzählt werden in dieser ersten Folge recht adäquat und mit der notwendigen Oppulenz umgesetzt wurden, was ich sehr erfreulich finde. Die Inszenierung ist gut durchdacht und grundsolide mit Luft nach oben, wobei das Potential ja schon erkennbar ist und ich überzeugt bin, dass da noch einiges kommt. Gleiches gilt für die Drachen. Ich fand die Animationen und das unterschiedliche Design der Drachen ok und freu mich auch hier auf mehr. Kleine Details wie die komischen Murmeln die von den Ratsanwesenden auf den Tisch gelegt werden runden die Sache ab und zeigen, dass man das Universum um zusätzliche kreative Aspekte erweitern möchte.
Achja vielleicht noch eine Sache. Auch wenn Viserys' Offenbarung bzgl. der Motive von Aegons Eroberung (Lied von Eis und Feuer) ziemlich ge-retcont ist, finde ich es im Kontext des Serien-Universums gar nicht mal so unelegant ist. Ohne jetzt zu googeln- zu sowas gibt es doch keinerlei Hinweise irgendwo in den Büchern oder?
Achja noch eine allerletzte Sache. Was mich wohl am meissten gestört hat ist, dass die Serie zunächst eine eigene Tonalität und einen eigenenen Charakter aufbaut (ohne sich dabei gleichzeitig all zu weit von GoT zu entfernen) nur um einem dann trotzdem am Ende der Folge das GoT Theme um die Ohren zu hauen. Das fand ich wirklich sehr schade, hier hätte man ruhig den Mut haben können, der Serie einen ganz eigenen Theme-Song zu verpassen.
In Punkten würde ich sagen gute 7 von 10 goldene Drachenschuppen, vieleicht sogar 8.
Ich werde die Folge heute wohl noch mal anschauen.