Bundestagsqual

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    Ich las neulich einen Vorschlag, demzufolge man eine alternative Zweitstimme einführen könnte, die dann zum Tragen kommt, wenn die präferierte Partei die 5% nicht packt. Da käme es natürlich sehr aufs Detail an, aber grundsätzlich gefällt mir die Idee.

    Ich bin grundsätzlich skeptisch gegenüber jeder Idee, die unser Wahlrecht und insbesondere der Vorgang an der Urne selbst noch komplizierter macht, als er ohnehin schon ist. Da setzen von zwei Kreuzchen - und vor allen Dingen, dann auch noch zu wissen welches Kreuzchen wofür gut ist - ja ohnehin bereits einen Großteil der deutschen Wähler völlig zu überfordern scheint, wäre ich mit derartigen Ideen vorsichtig.


    Außerdem kann ich Dreenan nur zustimmen. Bei jeder Partei besteht die theoretische Gefahr, dass sie nicht in den Bundestag einzieht und die eigene Stimme dann quasi "verschenkt" ist. Dieses Risiko ist bei zum Beispiel CDU oder SPD sicherlich geringer als, sagen wir, bei der ÖDP oder der PBC, aber über dieses Risiko muss man sich bei Stimmabgabe eben bewusst sein. Und wer das Risiko eingeht eine Splitterpartei zu wählen, sollte sich dann auch damit abfinden, dass die gewählte Partei nach der Stimmauszählung in der Statistik nur unter "Sonstige" geführt wird.


    Gewissermaßen einen "zweiten Versuch" einzubauen, finde ich daher nicht wirklich demokratisch. Ganz abgesehen davon, dass es das System wie gesagt mMn nur noch unnötig komplizierter machen würde.



    @Koalitionen:
    Ich gehe mal stark davon aus, dass sich die Genossen schon für eine große Koalition entscheiden werden. So können sie zumindest ein bisschen Einfluss ausüben und vielleicht ein paar ihrer Punkte umsetzen. Ich befürchte allerdings ohnehin stark, dass, egal was die SPD tut, es für sie am Ende schlecht ausgehen wird. Eine große Koalition ist sicherlich nicht ideal, da alles Gute automatisch ja ohnehin "Mutti" zugerechnet wird, aber wenn sie in die Opposition geht und die CDUwann immer es ihnen passt im Bundesrat blockiert, muss es früher oder später Neuwahlen geben und dann wird die CDU im nächsten Wahlkampf nichts anderes tun, als zu sagen "Tja, wir wollten so viele tolle Sachen für euch machen, liebe Wähler, aber leider hat die doofe SPD immer alles blockiert. Also schön CDU wählen!". Und so wie ich die Deutschen einschätze, werden sie das schlucken wie ein Baby die Muttermilch und dann landet die SPD prozentual in den gleichen Sphären wie sich jetzt Grüne und Linke befinden.

    Lang lebe König Staublin, Herr der Mummers vom geheimnisvollen Volk der Doom.

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  • 5%-Hürde weg? Damit dann irgendwelche Nazis und anderen Freaks den Bundestag zum Kasperletheater machen können? ...
    Demokratisch wär es schon irgendwie, denn auch die Kasper da draußen wollen sich Gehör verschaffen, nicht wahr? ^^


    Könnte mir aber auch vorstellen, dass dann ein paar Quertreiber aus der einen oder anderen großen Partei austreten und Splitterparteien gründen, und zwar bei jeder Regierungskrise und jeder innerhalb der Parteien umstrittenen Frage. Es gibt ohne eine solche Hürde gar nicht mehr die Notwendigkeit, Kompromisse zu suchen, solange man mit ein paar populären Parolen punkten und sich so seinen eigenen Parlamentssitz und damit sein Gehalt für die nächsten 4 Jahre sichern kann. Mit der Hürde passierts dafür ganz schnell, dass man raus ist aus dem Rampenlicht, dass einen keiner mehr anruft und um seine Meinung bittet, dass man aus diversen Aufsichtsräten gekickt wird und in seinen alten Beruf zurück muss.


    @ Arrakir:
    Hast Recht mit dem Untersuchungsausschuss, gibts auch nichts zu beschönigen. Ich halte zwar die Medien für ein wichtigeres Korrektiv als die parlamentarische Opposition, aber so eine Tageszeitung oder der Spiegel können die Leute auch nur um Stellungnahmen bitten und niemanden vorladen oder Akteneinsicht bei Behörden erzwingen (wobei die "Verfassungsschützer" beim NSU-Ausschuss auch dagegen ein Mittel fanden, wenn auch ein eher plumpes ^^).

  • Ich bin grundsätzlich skeptisch gegenüber jeder Idee, die unser Wahlrecht und insbesondere der Vorgang an der Urne selbst noch komplizierter macht, als er ohnehin schon ist. Da setzen von zwei Kreuzchen - und vor allen Dingen, dann auch noch zu wissen welches Kreuzchen wofür gut ist - ja ohnehin bereits einen Großteil der deutschen Wähler völlig zu überfordern scheint, wäre ich mit derartigen Ideen vorsichtig.


    Dann muss man eben eine Lösung dafür finden, es den Leuten verständlich zu machen. Wer das deutsche Wahlrecht nicht in groben Zügen versteht, hatte entweder keinen Bock sich zu informieren oder ist dumm. So schwierig ist das mit den zwei Kreuzen echt nicht. Eine gewisse Mindestintelligenz sollte man wirklich voraussetzen können.


    Außerdem kann ich Dreenan nur zustimmen. Bei jeder Partei besteht die theoretische Gefahr, dass sie nicht in den Bundestag einzieht und die eigene Stimme dann quasi "verschenkt" ist. Dieses Risiko ist bei zum Beispiel CDU oder SPD sicherlich geringer als, sagen wir, bei der ÖDP oder der PBC, aber über dieses Risiko muss man sich bei Stimmabgabe eben bewusst sein. Und wer das Risiko eingeht eine Splitterpartei zu wählen, sollte sich dann auch damit abfinden, dass die gewählte Partei nach der Stimmauszählung in der Statistik nur unter "Sonstige" geführt wird.


    Wenn man SPD oder CDU wählt, besteht praktisch überhaupt kein Risiko, dass man nicht im Bundestag vertreten ist.
    Und ich finde, dass das Wahlrecht einem durchaus zugestehen sollte, nach seiner Meinung zu wählen, und nicht nach der Frage "Verschenke ich meine Stimme oder nicht?". Und eine Partei, die 2 Millionen Stimmen bekommen hat, ist garantiert keine Splitterpartei. Ich habe mit der FDP oder der AfD wirklich so gut wie gar nichts gemeinsam, aber es kann nicht im Sinne einer Demokratie sein, Wählerschaften in dieser Größe von der politischen Mitbestimmung (welche sowieso schon verdammt gering ist) auszuschließen.


    5%-Hürde weg? Damit dann irgendwelche Nazis und anderen Freaks den Bundestag zum Kasperletheater machen können? ...


    Wie gesagt, es geht nicht einfach nur um irgendwelche Freaks. Die FDP ist draußen. Unabhängig davon, wie sehr sie das verdient hat und als wie freakig man die einschätzt. Und da die NPD ziemlich konstant bei unter 3 % ist, wäre eine Absenkung nicht problematisch. Übrigens fordern das auch der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele und der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier.


    Außerdem dient diese Hürde nicht dazu, dass extremistische Parteien nicht ins Parlament kommen, sondern dazu, dass die Zersplitterung im Bundestag nicht allzu groß ist.
    Und wenn denn 2 Millionen Wähler die NPD wählen würden, wäre das zwar ein Armutszeugnis für unsere Politik, gleichzeitig aber auch der ach so heilige Wählerwille. Und dagegen sollte man dann nicht mit irgendwelchen willkürlich gesetzten Hürden vorgehen, sondern inhaltlich und argumentativ.

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  • Dann muss man eben eine Lösung dafür finden, es den Leuten verständlich zu machen. Wer das deutsche Wahlrecht nicht in groben Zügen versteht, hatte entweder keinen Bock sich zu informieren oder ist dumm. So schwierig ist das mit den zwei Kreuzen echt nicht. Eine gewisse Mindestintelligenz sollte man wirklich voraussetzen können.


    Wenn die zwei großen Parteien (und davon eine besonders intensiv) mit dem Kanzler Gesicht werben, dann wundert es mich kein bisschen, dass eine Mehrzahl an Wählern glaubt sie würden den Kanzler wählen. Das man eine Kandidatin 'sympatischer' findet als ihren Herausforderer war sicher mehr als einmal ein Grund das Kreuz so zu setzen, ohne sich eigentlich bewusst zu machen, dass man ja eine Partei und nicht einen Kanzler wählt (klar, indirekt tut man es schon).


    Und da die 'wichtigen' Parteien die Nutznießer daraus sind, werden sie den Teufel tun für eine vernünftige Aufklärung zu sorgen, oder solchen falschen Schlussfolgerungen entgegenzuwirken. Also nimm es den Bürgern die wenig Interesse an Politik haben, aber dennoch wählen gehen, nicht übel wenn sie vielleicht schon mit Erst- und Zweitstimme überfordert sind.


    Politik ist nun einmal auf dem besten Weg zu einer Castingshow zu mutieren...

    “I may be just a schoolgirl... But now, I'm a schoolgirl with a giant robot!” - Iori Fuyusaka

  • Zitat

    Dann muss man eben eine Lösung dafür finden, es den Leuten verständlich zu machen.

    Und wie? Politikunterricht in der Schule und eine Wahlsendung im Fernsehen nach der anderen haben es in den vergangenen 50 Jahren nicht geschafft, der Mehrheit der Deutschen beizubringen, wie das mit den zwei Kreuzen genau funktioniert und welches Kreuzchen jetzt wofür gut ist. Ich bezweifle stark, dass das bei einem noch komplexeren Wahlrecht mit Notfall-Drittstimme klappen würde. Und wie bereits gesagt halte ich das ohnehin für demokratisch äußerst zweifelhaft, den Leuten ein "zweiten Versuch" zuzugestehen, falls sie es beim ersten mal "verbockt" haben.

    Zitat

    Und ich finde, dass das Wahlrecht einem durchaus zugestehen sollte, nach seiner Meinung zu wählen, und nicht nach der Frage "Verschenke ich meine Stimme oder nicht?".

    Das Wahlrecht gesteht dir ja zu, nach deiner ganz persönlichen Meinung zu wählen, aber da wir nun mal die 5%-Hürde haben, sollte mMn jeder vernünftige Wähler die Überlegung "Wie wahrscheinlich ist es überhaupt, dass meine präferierte Parti in den Bundestag einzieht?" in seine Wahlentscheidung mit einbeziehen.

    Zitat

    Und eine Partei, die 2 Millionen Stimmen bekommen hat, ist garantiert keine Splitterpartei.

    Offensichtlich doch. Das Wahlrecht sieht nun mal vor, dass eine Partei, die eine bestimmte politische Agenda vertritt, ein bestimmtes Minimum an Wählerstimmen (bzw. einen bestimmten, prozentualen Anteil an allen abgegebenen, gültigen Wählerstimmen) benötigt, um demokratisch legitimiert an der politischen Formung des Landes teilzuhaben. Und ich sehe das ebenso. Denn wenn man diesen Grundsatz entfernen würde, könnte man ja sagen, dass eine Demokratie nur dann wirklich demokratisch ist, wenn JEDE Meinung in die politische Arbeit miteinbezogen wird. Dann hätten wir allerdings ein Parlament mit 80 Millionen Abgeordneten. ;)


    Zitat

    Wie gesagt, es geht nicht einfach nur um irgendwelche Freaks. Die FDP ist draußen.

    Ich sehe da keinen Widerspruch.


    Damit man mich aber nicht falsch versteht, die Absenkung der Hürde von 5 auf 3% halte ich in der Tat für eine überlegenswerte Idee (auch wenn ich diese Bundestagswahl ob des Ausscheidens der FDP ausnahmsweise mal tatsächlich mit Sekt und Knabbereien gefeiert habe), allerdings ist es natürlich unrealistisch, dass die Parteien im Bundestag ernsthaft die Hürde senken werden. Mehr Parteien im Bundestag würde Machtverlust für die vorhandenen Parteien bedeuten und das ist mit den Damen und Herren an der Spitze (wenn es auch eine noch so demokratische Idee ist) nie und nimmer zu machen.

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  • Gewissermaßen einen "zweiten Versuch" einzubauen, finde ich daher nicht wirklich demokratisch. Ganz abgesehen davon, dass es das System wie gesagt mMn nur noch unnötig komplizierter machen würde.


    Kann ich nachvollziehen. Allerdings muss man eben auch sehen, dass zumindest für den aktuellen Bundestag so viele Menschen für "sonstige" Parteien gestimmt haben, wie für Grüne und Linke zusammen, knapp 16% nämlich. Dass die nun keinerlei Repräsentation haben, ist sicherlich auch nicht gerade demokratisch. Es ist ein bisschen schwierig, den Leuten zu erklären, dass "ihre Stimme zählt", wenn sie das erkennbar nicht tut, sobald sie für andere als etablierte Parteien stimmen. Und Millionen von Leuten ins Lager der Nichtwähler zu treiben, nur weil sie sich nicht von den angeblichen Volksparteien repräsentiert fühlen, kann nicht Sinn der Sache sein.
    Für eine alternative Zweitstimme spricht unter anderem, dass sich mehr Menschen trauen würden, ihre Stimme einer kleineren Partei zu geben. Es ist ja tendentiell vermutlich eher so, dass viele lieber direkt eine große Partei wählen, eben weil sie ansonsten ihre Stimme verschenken. Ich stehe auch regelmäßig vor dem Dilemma. Aber natürlich ist eine alternative Zweitstimme nicht unproblematisch, das sehe ich auch so. Dass davon so viele überfordert wären, glaube ich allerdings jetzt nicht. ^^


    Zitat

    So können sie zumindest ein bisschen Einfluss ausüben und vielleicht ein paar ihrer Punkte umsetzen.

    Das könnte sie noch viel besser mit einer etwaigen Oppositionsmehrheit. Das wird ja gerne übersehen, aber SPD, Grüne und Linke haben eine parlamentarische Mehrheit. Insbesondere für eine SPD wäre es mit einer Minderheitsregierung Merkel natürlich trotzdem schwierig, die richtige Balance zu finden, um nicht sofort auf Neuwahlen zusteuern zu müssen. Denn Merkel würde natürlich in regelmäßigen Abständen die Vertrauensfrage stellen. Der große Vorteil der SPD in einer solchen Konstellation ist aber, dass sie erstmal ein bisschen Zeit hat, um Politik zu machen und Gesetze zu verabschieden. Und ich bin mir nicht so sicher, dass das beim Wähler im Falle von Neuwahlen in vielleicht einem halben oder einem Jahr nicht gut ankommt. Die Chancen sind jedenfalls besser als in einer Koalition mit der CDU, schon allein, weil sie sich nur so als ernstzunehmende Alternative präsentieren kann.


    Allerdings denke ich auch, dass die Genossen sich kaufen lassen werden. Ich bin nicht unbedingt ein Freund der SPD (auch wenn ich das mal war), noch weniger allerdings ein Freund der CDU, schon gar nicht die jetzige leere Hülle aus inkompetenten, aktiv verfassungsfeindlichen Knallköpfen. So oder so bin ich der Meinung, dass eine starke Partei immer ein Gegengewicht braucht. Das wird es 2017 dann nicht mehr geben - und wie man es dreht und wendet, außer Hardcore-Konservative kann sich das eigentlich keiner wünschen.

  • Tja, wenn die ersten Hochrechnungen die ich so zwei Stunden vor Wahlschluss reinbekomme (poste direkt aus dem "Amt für Wahlen und andere rechtliche Angelegenheiten) dannwerden wohletliche in Deutschkland nach der österreichischen Mandatshürde brüllen.


    Bei uns gilt auf Bundesebene nämlich vier Prozent, nur auf Landesebene fünf.


    Und so wie es aussieht, dürfte es tatsächlich eine liberale Gruppierung nach 14 Jahren liberaler Absenz wieder ins Parlament schaffen. Mit etwa 4,5 Prozent - wenns den stimmt.Bis jetzt weiß man ja nur Stimmen von Bergdörfern die schon zu Mittag dicht machen und eben Umfragen.


    Die Konservativen werden abgewatscht, die Grünnen gewinnen leicht, die Rechten Stark, die SP bleibt Nummer eins auf niedrigem Niveau.


    Hatte es aber trotzdem lustig bis jetzt in der Arbeit. Direkt bevor der Bundespräsident freundlich lächelnd an mir vorbei zur Urne schritt, umwimmelt von Bodyguards und journalisten,betrat eine Gruppe von Spaßaktivisten das Amt und zog mit einem als Gorilla verkleideten Mann an der Spitze Richtung Urne.


    Ich hätte den letzten Beweis zwar nicht gebraucht, um zu wissen, das dieser Wahlkampf mal wieder ein Affentheater war, aber lustig war die Inszenierung "Der Präsident und der Affe dennoch". Leider ohne gemeinsame Pressefotos.

    [b] Sorry, no dragons in Winterfell!


    Hodor I. Targaryen wählte nach seiner Inthronisierung das neue Motto seines Hauses aus: "Hodor"!

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