Also mir würden sich die Zehnägel aufrollen - zum Glück hab ich sie gerade geschnitten -, wenn ich lese, dass Man Kant herabwürdigt, in dem man ihn als Vorbereiter zu Nietzsche sieht ...
Immerhin war Kant der deutschsprachige universal Philosph des 18. Jahrhunderts. Seine Betrachtungen finde ich allesamt interessant, wie zeitlos. Ähnlich wie Schriften von Thomas Hobbes, David Hume oder Jean-Jaques Rousseau sind die Beobachtungen und Ausführungen Kants immernoch aktuell. Hier meine ich nicht den in der Schule vielbeschworenen Kategorischen Imperativ, sondern zum Beispiel Kants Schrift zum Ewigen Frieden.
Nietzsche hingegen ist aus meiner Sicht ein Philosoph, der sich in eine Niesche gedrängt hat ... Egal.
Zum Thema Religion:
Da ich aus einem christlich lutherischen Elternhaus komme und meine Eltern auch sehr gläubig sind, habe ich doch viele der Werte für mich selber übernommen, auch wenn ich mich heute nicht mehr als gläubigen Menschen definiere. So hab ich zum Beispiel letztens eine Patenschaft abgelehnt, da ich nicht ein Kind als Wegweiser in das christliche, aber kirchliche Leben dienen kann.
Die Kirche selber ist für mich eine der schlimmsten Institutionen dieser Welt. Ein Verein, der Nächstenliebe predigt, aber in Wirklichkeit aus einem Haufen Selbstdarsteller besteht. Ich selbst habe damit schlechte Erfahrungen gemacht, als mein Vater seine Alkoholsucht eingestanden hat und aufgrund der Therapie sein Kirchenamt niedergelegt hat. Es war erschreckend wie schnell sich die achso nächstenliebenden Menschen von jemanden Entfernt haben, der den Bau eines neuen Gemeindezentrums durch einen Förderverein und privater Arbeitskraft möglich gemacht hat und fast 20 Jahre im Kirchenvorstand war. Naja ich schweife ab, genauso wie ich die Institution Kirche ablehne.
Mit Blick auf die Welt habe ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Religion. In diesen schwierigen Zeiten mit einer Wirtschaftskrise, vielen Kriesen, der Globalisierung etc. suchen die Menschen meiner Meinung nach einen Anker bzw. ihre Identität. Der Glauben oder auch der Chauvinismus in seiner ursprünglichen Bedeutung bieten beides. Brisant wird das Thema erst, wenn Werte wie Toleranz davon betroffen werden und geistige Führer ihre Schäfchen gegen alles neue Hetzen. Es entsteht ein Klima des Misstrauens und Hasses, welches die Situation nur verschlechtert. Dieses trifft auf alle Religionen zu, auf der ganzen Welt. Erkennbar ist es auch, dass diese radikal-fundamentalistischen Strömungen immer wieder an Orten auftreten, die gerade eh in Aufruhr sind und kein starker Staat oder keine starke Zivilgesellschaft diesen Strömungen entgegen treten kann oder auch will (was in Amerika ja oft mit der Meinungsfreiheit begründet wird).
Abschließend möchte ich noch schnell Kofi Annan zitieren und zwar aus einer Rede vor dem Zentrum für Islamische Studien in Oxford am 28. Juni 1999, die ich sehr passend finde und auf alle Religionen übertragbar ist: "Ich fürchte, dass einige der jüngsten Versuche, die Größedes Islam wiederherzustellen, zum Scheitern verurteilt sind, da sie, anstatt die Fesseln des Obskurantismus abzustreifen, diese immer stärker anzuziehen versuchen. Dies trifft insbesondere auf jene Bewegungen zu, die zu Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele greifen und dabei die klare Botschaft des Korans vergessen, dass es "keinen Zwang in der Religion" gibt. Ich fürchte daher, dass diese Entwicklung zu noch größerer Entfremdung führen wird.
Dennoch glaube ich, dass es keinen zwingenden Konflikt zwischen Glaube und Moderne geben muss, im Islam ebenso wenig wie in anderen Religionen. Die Herausforderung der muslimischen Gelehrten, hier in Oxford und anderswo, muss darin liegen, den besten islamischen Traditionen gerecht zu werden, einschließlich der Tradition des "Ijtihad", der freien Interpretation, und dies nicht nur in Theologie und Recht, sondern auch in allen Künsten und Wissenschaften. Sie sollten ihre Glaubensbrüder ermutigen, frei darüber nachzudenken, was in anderen Kulturen wie in ihrer eigenen gut und was schlecht ist."
Diese und andere Reden findet ihr in:
Annan, Kofi (2004): Die Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert – Reden
und Beiträge 1997 – 2003. Herausgegeben von Manuel Fröhlich. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften.
So nun habe ich mich wieder ne Stunde von meiner wirklichen Arbeit abgelenkt ... Bis dahin.
Bedwyr